Mit Linien die Welt gestalten

München. Es gab eine Zeit, da war die Welt des Piet Mondrian noch rosa, himmelblau und braun-grau. Um 1907 malte der 1872 geborene Holländer weite Landschaften, die mit ihren Wasserspiegeln, Baumgruppen und konzentrischen Sonnenkreisen fast ein wenig an Edvard Munch erinnern. Erst ab 1911 gliederte er die Dünen in kristalline Flächen und zerlegte Menschen nach Art des Kubismus

 Theo van Doesburgs Komposition XVII. Foto: Gemeentemuseum Den Haag

Theo van Doesburgs Komposition XVII. Foto: Gemeentemuseum Den Haag

München. Es gab eine Zeit, da war die Welt des Piet Mondrian noch rosa, himmelblau und braun-grau. Um 1907 malte der 1872 geborene Holländer weite Landschaften, die mit ihren Wasserspiegeln, Baumgruppen und konzentrischen Sonnenkreisen fast ein wenig an Edvard Munch erinnern. Erst ab 1911 gliederte er die Dünen in kristalline Flächen und zerlegte Menschen nach Art des Kubismus. 1911/1912 entstehen dann zwei Baumbilder, die eine neue Entwicklung markieren. Mondrian biegt die Äste eines Apfelbaumes, die schwarzen Linien scheinen sich zu verselbständigen, die Leere zwischen den Zweigen tritt in den Vordergrund und wird mit zarten Farben ausgemalt. Von da an ist es nicht mehr weit zu den abstrakten Kompositionen, die in ihrer Radikalität die Welt verändern.Mondrians malerische Abstraktion, Reduktion der Formen und der Farben sind Prinzipien, die bis heute in der Werbung, der Grafik und der Mode wirken. Wenn Flaschen von Haarpflegeprodukten das Design seiner Bilder kopierten oder Yves Saint-Laurent in den 60ern Kleider in seinem Stil über den Laufsteg schickte, dann hat Mondrian einflussreicher gewirkt, als ihm dies zu Lebzeiten wohl bewusst war.

Gerade die Gestaltung des Alltags, vom Kaffeeservice bis zur Hausfassade, war freilich das erklärte Ziel von "De Stijl" - jener Zeitschrift, die von 1917 bis 1924 Mondrians Beiträge veröffentlichte. Herausgegeben wurde sie von Theo van Doesburg. Es ist ein Verdienst des Kurators Matthias Mühling, dass er die vielen Künstler dieser Bewegung mit ihren Möbeln, Architekturmodellen und Gemälden neben Mondrians Werken zeigt. "Dass man - wenn man sich bemüht - die Welt so gestalten kann, wie man sie haben möchte, ist eine unglaublich schöne Idee", konstatiert Mühling mit Blick auf diese Schau, von der er seit 20 Jahren träumt. Eine klare, einfache Ordnung beherrscht die Kunst der De Stijl-Bewegung, die Linien sind ein Koordinatensystem nicht nur auf der Leinwand, sondern bis in den Alltag hinein. So hat man in München die so genannten "Militär-Möbel" von Gerrit Rietveld in weiß, schwarz und rot lackiertem Holz von 1923 nachgebaut, damit die Besucher darauf probesitzen können. Im Original zeigt man das Jungenschlafzimmer, das Vilmos Huszár 1919 entwarf, sowie seine gemalten Kompositionen, die sich durch die Verwendung der Farbe Grün von Mondrian abheben. Bücher und Kataloge belegen den Einfluss der Gruppe auf die Typographie. Ein eigener Raum ist Architekturmodellen für Privathäuser und öffentliche Bauten von Theo van Doesburg gewidmet. Dessen Plädoyer für die Diagonale auf der Leinwand folgen Maler wie César Domela und Friedrich Vordemberge-Gildewart - an der Frage zerbricht letztlich die Gruppe De Stijl.

Mondrian, der 1940 ins Exil nach New York ging, wo er 1944 starb, hat sich auf Diagonalen nie eingelassen. Zuletzt variierte er noch einmal sein Liniengerüst von schwarz nach gelb - dieses Spätwerk thematisiert die Schau nicht. Aber welche Variantenbreite diese Kunstrichtung zuließ, dokumentieren die 120 Exponate ausführlich. Unglaublich, wie modern all diese Werke wirken, die vor rund 100 Jahren ihren Anfang nahmen.

Bis 15. August (Täglich außer montags von 10 bis 18 Uhr).

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