Mit Grube aus der Krise "Bahn-Börsengang würde Unternehmen aus der Umklammerung der Politik lösen"

Berlin. Der bisherige Daimler-Manager Rüdiger Grube (Foto: dpa) soll die Deutsche Bahn nach monatelangen Kämpfen wegen der Datenaffäre aus der Krise steuern. Die Bundesregierung als Eigentümerin des Konzerns schlug den 57 Jahre alten Vorstand des Autobauers als Nachfolger des scheidenden Bahnchefs Hartmut Mehdorn (66) vor, wie Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gestern mitteilte

Berlin. Der bisherige Daimler-Manager Rüdiger Grube (Foto: dpa) soll die Deutsche Bahn nach monatelangen Kämpfen wegen der Datenaffäre aus der Krise steuern. Die Bundesregierung als Eigentümerin des Konzerns schlug den 57 Jahre alten Vorstand des Autobauers als Nachfolger des scheidenden Bahnchefs Hartmut Mehdorn (66) vor, wie Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) gestern mitteilte. Grube soll neben dem Mutterkonzern auch die für einen möglichen Börsengang gegründete Tochter DB Mobility Logistics führen, die den Personen-und Güterverkehr vereint. Der Bahn-Aufsichtsrat muss die Personalie beschließen. Die Arbeitnehmervertreter stellten ihre Zustimmung unter Vorbehalt, äußerten sich aber nach einem Treffen positiv über Grube. Tiefensee sagte, Grube sei "ein guter Mann zur richtigen Zeit" und habe "hohe soziale Kompetenz" im Umgang mit den Beschäftigten. Wegen der "tiefen Vertrauenskrise" durch die Affäre um Massenkontrollen von Belegschaftsdaten und E-Mails sollten die Mitarbeitervertretungen eng eingebunden werden. Den mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vize-Kanzler Frank-Walter Steinmeier (SPD) abgestimmten Personalvorschlag habe er dem Bahn-Aufsichtsrat zugeleitet. Tiefensee erwartete eine Entscheidung des Kontrollgremiums noch im April. Der Vorsitzende der Gewerkschaft GDBA, Klaus-Dieter Hommel, sagte mit Blick auf Grube: "Ich glaube, er könnte es können." Zusammen mit dem Chef der Gewerkschaft Transnet, Alexander Kirchner, habe er am Mittwochabend 20 Minuten Zeit gehabt, den Manager kennenzulernen.Vor einer Entscheidung über das Votum der Arbeitnehmervertreter im Bahn-Aufsichtsrat soll sich Grube am kommenden Montag bei Beratungen der Hauptvorstände beider Gewerkschaften vorstellen.Steinmeier betonte, es bleibe beim integrierten Konzern. "Für diese Politik steht auch Grube", sagte Steinmeier dem "Handelsblatt". Tiefensee sagte, es gehe in der Ausrichtung der Bahn um einen "starken Fokus auf Deutschland und auf die Dienstleistungsqualität hier für die Kunden." Die Bundesregierung sei sich einig, dass ein Börsengang "im gegenwärtigen Umfeld der Finanz- und Wirtschaftskrise nicht auf der Agenda steht". Dies sehe auch Grube so. dpaHerr Klimmt, Rüdiger Grube soll neuer Bahnchef werden. Kennen Sie ihn?Klimmt: Nein, aber ich wünsche ihm, wenn er es denn wird, eine glückliche Hand.Sie gelten als Vertrauter von Hartmut Mehdorn. Was halten Sie vom erzwungenen Rücktritt?Klimmt: Mehdorn war ein äußerst erfolgreicher Manager, der die Bahn auf den richtigen Kurs gebracht hat. Vielleicht ist er dabei manchmal zu hemdsärmelig, zu robust vorgegangen. Haben Sie mit Mehdorn sprechen können? Wie wirkte er?Klimmt: Mit sich im Reinen. Er hätte sich einen besseren Abgang gewünscht, weiß aber auch, dass er für die Gestaltungsmöglichkeiten der Vergangenheit dankbar sein muss.Bedauern Sie den Rücktritt?Klimmt: Ja, ich glaube, dass die Art und Weise und auch der Zeitpunkt nicht unbedingt glücklich waren. Aber es war auch klar, dass seine Ära zu Ende geht. Denn das Hauptziel, weshalb er über seinen 65. Geburtstag hinaus verlängert hatte, war ja der Börsengang. Ist der Börsengang verschoben oder erledigt?Klimmt: In der Regel ist Geld an der Börse günstiger zu bekommen als von den Banken. Und die Befürchtung, dass irgendwelche Heuschrecken über die Bahn herfallen, war und ist völlig unbegründet. Ein Börsengang hätte auch den Vorteil, die Bahn etwas aus der Umklammerung der Politik zu befreien. Man sieht ja, wie sehr die Interessen der Parteien die Bahnpolitik beeinflussen - das ist nicht immer ökonomisch rational. Wie bewerten Sie Mehdorns Rolle in der Datenaffäre?Klimmt: Ich gehe davon aus, dass er die Wahrheit sagt, wenn er erklärt, dass er von Einzelheiten nichts gewusst habe. Für ihn war das Thema Korruptionsbekämpfung wichtig und dieses Ziel wird jeder unterstützen. Ob dafür die richtigen Mittel gewählt wurden, müssen die Gutachten zeigen. So wie es aussieht, ist wohl übers Ziel hinausgeschossen worden. Was sind die Probleme, die auf den neuen Bahnchef warten?Klimmt: Die Frage bleibt, ob die Bahn als Ganzes erhalten wird oder ob man das Schienennetz und den operativen Sektor, also alles, was bewegt wird, voneinander trennt. Das wünscht man sich ja gerade in der FDP. Was wird noch wichtig?Klimmt: Für das Saarland ist es wichtig, dass die Bahn ihre Position im grenzüberschreitenden Verkehr halten kann. Auf der Ost-West-Achse sind wir mit dem ICE nach Paris und Mannheim gut aufgestellt. Aber wir bräuchten bessere Verbindungen nach Norden, nach Brüssel und ins Ruhrgebiet.

Die Bahn braucht Ruhe

Von SZ-RedakteurThomas Sponticcia Nach der Bespitzelung eigener Mitarbeiter muss der neue Bahnchef Rüdiger Grube vor allem Ruhe in das Unternehmen bringen, verlorenes Vertrauen in der Belegschaft zurückgewinnen. Das könnte gelingen, sagt man dem Manager doch ein zurückhaltendes Auftreten nach, ganz im Gegensatz zu Hartmut Mehdorn. Dieser hat die Bahn in der Sache vorangebracht, aber mit seinem barschen Auftreten viel Porzellan zerschlagen. Die Landesregierung sollte schnell Kontakt zu Grube suchen. Es gilt, den Hochgeschwindigkeitsverkehr nach Paris auszubauen, eine Erfolgsstory.

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