"Mit Frankreich ist mehr drin"

Saarbrücken. Das Frankreich-Potenzial ist für die saarländische Wirtschaft noch längst nicht ausgeschöpft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des französischen Außenhandelsrats und Inhaber der deutsch-französischen Marketingfirma Trans-Com, Jacques Renard (Foto: Ruppenthal)

Saarbrücken. Das Frankreich-Potenzial ist für die saarländische Wirtschaft noch längst nicht ausgeschöpft. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des französischen Außenhandelsrats und Inhaber der deutsch-französischen Marketingfirma Trans-Com, Jacques Renard (Foto: Ruppenthal). "Das Saarland ist von seinem Ziel noch weit entfernt, das Tor für französische Firmen nach Deutschland zu sein", ist er überzeugt. So seien rund 2220 Unternehmen aus dem Nachbarland in Deutschland tätig, davon seien im Saarland lediglich 122 aktiv. Von den 2700 deutschen Firmen, die in Frankreich Geschäfte machen, "kommen gerade einmal 36 aus dem Saarland". Angesichts der Ansprüche, die das Saarland als deutsch-französische Scharnierregion für sich reklamiert, sei dies ernüchternd. Ähnlich sieht es Gilles Untereiner, Chef der Deutsch-Französischen Handelskammer (CCFA) in Saarbrücken. "Man könnte mehr machen, um französische Firmen ins Saarland oder nach Deutschland zu holen. Doch das ist Knochenarbeit." So veranstaltet die CCFA jedes Jahr bis zu 70 Deutschland-Tage in Frankreich, um über die Ansiedlungs-Bedingungen zu informieren. 30 bis 40 Unternehmen aus allen Branchen überzeugt Untereiner mit seinem 42-köpfigen Team jährlich vom deutschen Markt. Praktische Arbeit wie der bürokratische Hürdenlauf einer Firmengründung oder das Anwerben von Personal stehen im Mittelpunkt der CCFA-Dienstleistungen für französische Investoren. Von den staatlichen Anwerbe-Gesellschaften hält Untereiner wenig. "Die machen nur in Diplomatie." Man fliege lieber in ferne Länder, als sich um die Märkte vor Ort zu kümmern. Auch in anderen deutschen Regionen tut man sich schwer. "Aus skandinavischen Ländern sind die Ansiedlungserfolge eher zu haben als aus Frankreich", heißt es beispielsweise bei NRW-Invest, die in Nordrhein-Westfalen (NRW) für Firmenansiedlungen zuständige Gesellschaft. Anlock-Informationen gibt es allerdings zuhauf. So hat NRW-Invest erst im vergangenen Jahr eine umfangreiche Broschüre aufgelegt, in der die Vorteile des Wirtschaftsstandortes in den schönsten Farben beschrieben werden - durchgehend auf französisch. Vor kurzem hat das Land Hessen mit einem eigenen Hochglanz-Heft nachgelegt. Mit konkreten Ratschlägen betreibt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Trier das Frankreich-Geschäft. "Wir informieren unter anderem über Fragen des Arbeitsrechts, welche Befähigungsnachweise die Mitarbeiter haben müssen, welche Garantieregelungen gelten", listet die zuständige IHK-Referentin Christina Grewe auf. Jacques Renard vermisst im Saarland Aktivitäten jeder Art. Er schlägt vor, dass bei der Saar-IHK ein Kompetenz-Zentrum eingerichtet wird, das sich ausschließlich mit den Wirtschaftsbeziehungen zu Frankreich beschäftigt. Nur so könnten die Chancen direkt vor der Haustür genutzt werden. "Viele kleine und mittlere Unternehmen aus dem Saarland vernachlässigen Frankreich als Absatzmarkt", so seine Überzeugung. Meinung

Warum in die Ferne schweifen?

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid Die Sonntagsreden saarländischer Politiker sind voll des Lobes, wenn das Saarland und seine Scharnierfunktion zwischen Deutschland und Frankreich zur Sprache kommen. Die Realität sieht leider anders aus. Französische Firmen scheitern häufig schon daran, zweisprachige Mitarbeiter zu finden. Saarländische Unternehmen tummeln sich lieber in Indien, China oder sonstwo, als den Markt vor der Haustür zu bearbeiten. Die saarländischen Wirtschaftsförderer sind hier nicht gerade ein Vorbild. Die Markterkundungsreisen führen bis nach Australien, aber selten nach Frankreich. Das ist offenbar nicht sexy genug. Doch "warum in die Ferne schweifen? Sieh' das Gute liegt so nah", wusste schon der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe.

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