Misshandelte Heimkinder streben mit Härte zum Ziel

Berlin. Schon bei seiner heutigen zweiten Sitzung steht der "Runde Tisch Heimkinder" vor einer Zerreißprobe. Untersucht werden soll das Schicksal Hunderttausender, die in den 50er und 60er Jahren in vornehmlich kirchlichen Heimen Schikanen und Misshandlungen ausgesetzt waren. Nun droht das Gremium wegen des Streits über Entschädigungszahlungen vorzeitig zu scheitern

Berlin. Schon bei seiner heutigen zweiten Sitzung steht der "Runde Tisch Heimkinder" vor einer Zerreißprobe. Untersucht werden soll das Schicksal Hunderttausender, die in den 50er und 60er Jahren in vornehmlich kirchlichen Heimen Schikanen und Misshandlungen ausgesetzt waren. Nun droht das Gremium wegen des Streits über Entschädigungszahlungen vorzeitig zu scheitern. Auch deshalb, weil sich ehrgeizige Anwälte eingeschaltet haben. Mitte Februar hatte die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) als Moderatorin mit Mühe ein erstes Treffen zu Stande gebracht. Dabei erklärten die Kirchenvertreter ihr Bedauern über die damaligen Vorgänge. Auch die Länder waren dabei, und der Verein ehemaliger Heimkinder (VeH) schickte drei Vertreter, darunter seinen Vorsitzenden Hans-Siegfried Wiegand. Ein Arbeitsprogramm wurde festgelegt und eine Infostelle für Betroffene beschlossen. Vollmer betonte, das Gremium sei kein Tribunal. Ob es Entschädigungszahlungen geben werde, sei offen. Alles werde geprüft. Kurz danach gab es Streit im Verein. Die Mehrheit des Vorstandes verlangte die Einbeziehung der Rechtsanwälte Gerrit Wilmanns und Michael Witti, um die Forderung nach Entschädigungen voranzutreiben. VeH-Chef Wiegand trat daraufhin von seinem Amt zurück. "Das ist ein Crashkurs, der nicht gut gehen kann", sagte er unserer Zeitung. Seine Nachfolgerin Monika Tschapek-Güntner konterte, Wiegand habe wegen "seiner unkritischen Nähe zu Frau Vollmer kein Vertrauen mehr gehabt".Nun geben die Anwälte den Takt vor. Theoretisch geht es um Summen, die leicht die Milliardengrenze erreichen könnten. Denn Wilmanns und Witti fordern analog zur Entschädigung der Zwangsarbeiter der Nazizeit eine Fondslösung, an der sich Kirchen, Bund, Länder und auch jene Firmen beteiligen sollen, die Heimkinder als billige Arbeitskräfte einsetzten. Willmanns erklärt: "Da es hier um Menschenrechtsverletzungen geht, wäre auch der Weg zu amerikanischen Gerichten offen." Für das heutige Treffen des Runden Tischs bestand der Verein darauf, dass statt Wiegand der neue Verhandlungsführer des Vereins, Werner Molter, und als Berater die beiden Anwälte mitreden dürfen. Doch Vollmer verweigerte den dreien die Teilnahme und lud wieder Wiegand ein. Ihre trockene Begründung: "Der Runde Tisch ist keine Gerichtsverhandlung. Wer teilnimmt, muss konstruktiv mitarbeiten."In den Augen von Wilmanns und Tschapek-Güntner sind dies jedoch "Strategien der Anspruchsvereitelung". Die neue Vereinsvorsitzende verweist darauf, dass auch die Kirchen Juristen dabei hätten. Keinesfalls wolle man das Thema Entschädigung jetzt schon in den Vordergrund schieben, verlange aber, dass die eigenen Anwälte von vornherein dabei sein könnten. Tschapek-Güntner verteidigt auch den Einsatz des einstigen Münchener Staranwalts Witti. Dieser hatte in den USA lebende Juden vertreten und für sie so genannte Ghetto-Renten erstritten. Weil er das Geld aber nicht korrekt an seine Mandanten abführte, wurde er im vorigen Jahr zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Eine Zeitlang war Witti daraufhin aus dem Mandat für die Heimkinder ausgestiegen. Doch jetzt steht sein Name wieder unter der Presseerklärung des Vereins. "Witti hat gezeigt, dass er die Fähigkeit hat, Opferinteressen durchzusetzen", sagt Tschapek-Güntner. "Warum sollten wir uns dieser Fähigkeit nicht bedienen?"

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