Ministerin will Schlecker überprüfen lassen

Berlin. Nach heftiger Kritik aus der Politik will die Drogeriekette Schlecker ihre Zusammenarbeit mit der umstrittenen Leiharbeitsfirma Meniar auslaufen lassen. Mit dem Unternehmen sollten keine neuen Verträge abgeschlossen werden, kündigte ein Sprecher von Schlecker gestern überraschend an

Berlin. Nach heftiger Kritik aus der Politik will die Drogeriekette Schlecker ihre Zusammenarbeit mit der umstrittenen Leiharbeitsfirma Meniar auslaufen lassen. Mit dem Unternehmen sollten keine neuen Verträge abgeschlossen werden, kündigte ein Sprecher von Schlecker gestern überraschend an. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU, Foto: dpa) hatte zuvor gesagt, die Beschäftigungspolitik von Schlecker unter die Lupe nehmen zu wollen. In der ARD-Sendung "Anne Will" hatte von der Leyen gesagt, bei Schlecker müssen man "sehr genau hinschauen", ob gegen Vorschriften zur Leiharbeit verstoßen werde. "Wenn das der Fall ist, werden wir diese Schlupflöcher schließen." Die Gewerkschaft Verdi wirft Schlecker vor, festangestellte Mitarbeiter in neue Verträge mit deutlich schlechteren Arbeits- und Einkommensbedingungen zu zwingen. Dies erfolge über die Zeitarbeitsfirma Meniar mit Sitz in Zwickau, die einen Stundenlohn von nur 6,78 Euro zahle, sagte Verdi-Unternehmensbetreuer Achim Neumann. Im Bundesdurchschnitt liege der Tariflohn einer Verkäuferin hingegen bei 12,70 Euro. Zudem würden weder Urlaubs- noch Weihnachtsgeld gezahlt, auch der Urlaubsanspruch falle deutlich geringer aus. "Wir sind davon überzeugt, dass die Zeitarbeitsfirma konzernintern gegründet wurde, um Tarifverträge zu unterlaufen." Laut Verdi hat Meniar bislang rund 4300 Leiharbeiter an Schlecker vermittelt. Allein im vergangenen Jahr seien 1000 kleinere Schlecker-Filialen geschlossen und im gleichen Zeitraum bis zu 300 XL-Märkte eröffnet worden, sagte Neumann. Im Saarland gibt es inzwischen Verdi zufolge vier XL-Märkte: in Großrosseln, Kleinblittersdorf, Perl und Schiffweiler. Schlecker hält die Vorwürfe für nicht nachvollziehbar. Um aber die Diskussion um die Beschäftigung von Leiharbeitnehmern zu beenden, habe man beschlossen, "keine neuen Arbeitnehmerüberlassungsverträge mit der Firma Meniar mehr abzuschließen". Zuvor hatte das Unternehmen betont, die Arbeitsbedingungen bei Meniar bewegten sich im Rahmen des allgemein Üblichen und es würden Stundenlöhne von bis zu 13 Euro und mehr bezahlt. "Von Niedriglöhnen oder gar Lohndumping kann vor diesem Hintergrund keine Rede sein." Schlecker warf der Gewerkschaft vor, sie habe "gezielte Desinformations- und Diffamierungskampagnen" betrieben. Es sei befremdlich, dass nun auch Politiker, deren Parteien die Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse gefordert und gesetzlich gefördert haben, sich dem anschlössen. Meniar sei ein konzernunabhängiger Personaldienstleister. Kritik kam auch von der Bundesagentur für Arbeit: "Schlecker hat offenbar Stammbelegschaft entlassen, um sie dann in einer eigens gegründeten Zeitarbeitsfirma zu niedrigeren Löhnen wieder einzustellen", sagte eine Sprecherin. Das Gesetz "verbietet so etwas nicht. Hier sind politische Entscheidungen nötig." Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) distanzierte sich von Schlecker. "Solch ein Geschäftsgebaren entspricht nicht dem ursprünglichen Sinn der Zeitarbeit und schadet unserem Image", sagte BZA-Hauptgeschäftsführer Ludger Hinsen der "Berliner Zeitung". dpa/afpMeinung

Mehr Klarheit für die Zeitarbeit

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf Es ist gut, wenn die Politik die Regelungen zur Leiharbeit unter die Lupe nimmt. Der erbitterte Streit um die Zeitarbeit verlangt - unabhängig vom Fall Schlecker - nach Klarstellungen. Die Gewerkschaften bekämpfen die Zeitarbeit, weil sie den Weg in eine Lohndumping-Wirtschaft ebne. Die Arbeitgeber dagegen nutzen diese Beschäftigungsform gerne, um ihr Personal schnell an das Auf und Ab der Konjunktur anzupassen. Im Zuge der Krise konnte man in der Tat beobachten, wie manch notwendiger Personalabbau weniger schmerzlich verlief, weil die Unternehmen zunächst die Verträge mit Zeitarbeitern auflösten. Doch scheinen auch die Vorwürfe der Gewerkschaften, Unternehmen nutzten die Zeitarbeit zur Tarifflucht, nicht aus der Luft gegriffen. Die Politik muss nun einerseits diese Schlupflöcher stopfen, andererseits darf sie Zeitarbeit für die Betriebe nicht unattraktiv machen.

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