Mini-Jobber in der Niedriglohn-Falle

Berlin. Nachdem die frühere rot-grüne Bundesregierung 2003 praktisch alle Hürden für die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung beiseite geräumt hat, haben die Minijobs einen Boom erlebt, der bis heute anhält. 2002 gab es nur etwa 1,9 Millionen geringfügig Beschäftigte. Inzwischen gehen fast 7,3 Millionen Menschen einem 400-Euro-Job nach

Berlin. Nachdem die frühere rot-grüne Bundesregierung 2003 praktisch alle Hürden für die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung beiseite geräumt hat, haben die Minijobs einen Boom erlebt, der bis heute anhält. 2002 gab es nur etwa 1,9 Millionen geringfügig Beschäftigte. Inzwischen gehen fast 7,3 Millionen Menschen einem 400-Euro-Job nach. Was ursprünglich dazu gedacht war, verheirateten Hausfrauen einen unkomplizierten Nebenverdienst zu ermöglichen, ist nach einer Untersuchung von Arbeitsmarktforschern der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung jedoch mit großen Risiken und Nebenwirkungen behaftet.Durch die massenhafte Nutzung der Mini-Jobs ist das allgemeine Lohnniveau unter Druck geraten. Fast 90 Prozent der geringfügig Beschäftigten werden demnach mit einem Niedriglohn abgespeist. Das heißt, sie arbeiteten im Jahr 2009 für weniger als 9,76 Euro im Westen beziehungsweise 7,03 Euro im Osten und damit nur für etwa halb so viel wie regulär Beschäftigte. Fast 700 000 Mini-Jobber kamen gar auf weniger als fünf Euro in der Stunde. Unter dem Strich seien Mini-Jobber mehr als vier Mal so häufig von Billiglöhnen betroffen wie der Durchschnitt aller Arbeitnehmer, heißt es in der Studie. Für die große Mehrheit werde der Mini-Job so zur "Niedriglohnfalle".

Selbst am unteren Ende der Lohnskala gibt es noch eine Zwei-Klassen-Gesellschaft. Der Untersuchung zufolge fallen die Bezüge von Mini-Jobbern, die gleichzeitig Hartz IV beziehen, besonders niedrig aus. 2009 verdienten sie im Schnitt 6,08 Euro pro Stunde und damit etwa zwei Euro weniger als Mini-Jobber ohne staatliche Transfers. Die zuständige Expertin beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Jenny Huschke, erklärt das Phänomen mit den geltenden Anrechnungsregelungen für Hartz-IV-Bezieher. Demnach kann sich ein Leistungsempfänger mit einem 400-Euro-Job maximal 160 Euro hinzuverdienen. Um dies zu erreichen, würden die Betroffenen möglicherweise längere Arbeitszeiten in Kauf nehmen, so Huschke. Bis zur Gesetzesnovelle 2003 durfte die Wochenarbeitszeit bei einem Mini-Job maximal 15 Stunden betragen. Danach fiel diese Grenze ersatzlos weg.

Die Wissenschaftler der Böckler-Stiftung halten es auch für wahrscheinlich, dass die Arbeitgeber das staatlich garantierte Existenzminimum bei der Vergütung mit einbeziehen. Dadurch entstehe ein Kombilohn zu Lasten der Allgemeinheit.

Fazit der Studie der Böckler-Stiftung: Mini-Jobs seien ein "arbeitsmarktpolitischer Irrweg". Das sieht die Bundesregierung ganz anders. Nach einer Vereinbarung in der Koalition soll der weitgehende Verzicht auf Steuern und Abgaben bei geringfügigen Beschäftigungen noch ausgeweitet werden. Aus den 400-Euro-Jobs würden dann 450-Euro-Jobs. Auf eine entsprechende Gesetzesänderung drängt die FDP zum 1. Juli. vet

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