Mindestlohn spaltet Koalition

Berlin · Um die Einhaltung des Mindestlohns zu kontrollieren, soll der Zoll mehr Personal bekommen. SPD und Deutscher Gewerkschaftsbund reagieren nun empört darüber, dass Finanzminister Schäuble offenbar an dieser Vereinbarung rütteln will.

Der Koalitionsstreit um das erst wenige Wochen alte Mindestlohngesetz schaukelt sich weiter hoch. Das jüngste Störfeuer kommt aus dem Bundesfinanzministerium und vom Wirtschaftsflügel der Union. In einem Interview hatte Wolfgang Schäuble (CDU ) den Kontrollaufwand zur Einhaltung des Mindestlohns infrage gestellt: "Wenn wir in Deutschland mehr Personal im Sicherheitsbereich brauchen, würde ich zum Beispiel darüber diskutieren, ob wir wirklich so viel Personal bei der Kontrolle eines im internationalen Vergleich sehr komplizierten Mindestlohns brauchen oder ob wir nicht sagen, andere Prioritäten, wie die Polizei , sind jetzt wichtiger". Im SPD-geführten Bundesarbeitsministerium zeigte man sich gestern verärgert: "Die Kontrolleure sind fest vereinbart und stehen in der Haushaltsplanung drin. Ein Mindestlohn , der nicht kontrolliert wird, ist kein Mindestlohn ", sagte eine Sprecherin.

Zur Überwachung des Mindestlohns sollte die zuständige Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Zoll um 1600 Mitarbeiter aufgestockt werden. Dass Schäuble an dieser Vereinbarung rütteln will, stößt auch SPD-Fraktionsvize Carola Reimann sauer auf: Hier würden Äpfel mit Birnen verglichen, denn die Polizei liege in der Befugnis der Länder, während der Zoll Sache des Bundes sei. Daher könne man hier kein Personal verschieben. DGB-Chef Reiner Hoffmann reagierte ebenfalls empört: "Es ist unverantwortlich, dass der Bundesinnenminister die innere Sicherheit gegen die Kontrolle der Sozialgesetzgebung ausspielen will." Den Arbeitgebern müsse klar sein, "dass der Staat über die Einhaltung seiner Gesetze auch wacht".

Die Union will gleichwohl nicht lockerlassen, um den Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde weiter zu entschärfen. "Auf jeden Fall müssen wir zu deutlich weniger Bürokratieaufwand kommen als jetzt", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs . Allerdings ist Arbeitsministerin Andrea Nahles dem Koalitionspartner schon an einigen Stellen entgegengekommen. So brauchen ausländische Speditionen ihren Fahrern bis auf weiteres keinen deutschen Mindestlohn mehr zu zahlen, wenn die Fuhre im Transit durch Deutschland geht. Hier musste Nahles einer Prüfung durch die EU Rechnung tragen. Zugleich stellte die Ministerin der Schaustellerbranche Erleichterungen bei der Erfassung des Mindestlohns in Aussicht. Auch kündigte die SPD-Politikerin bis zum Sommer "einen ehrlichen Überblick" über die Wirkung des Mindestlohngesetzes an. Eine Bestandaufnahme bis zu diesem Zeitpunkt hatte zuvor die Unionsfraktion verlangt. Kernforderung ihres Papiers: Die Einkommensschwelle, bis zu der die Unternehmen in bestimmten Branchen die Arbeitszeit für ihre Beschäftigten dokumentieren müssen, soll von jetzt 2958 Euro auf 1900 Euro gesenkt werden.

Umstrittene Grenze



CDU-Mann Fuchs rechnete vor, dass ein Arbeitnehmer mit dem Mindestlohn 29 Tage im Monat jeweils zwölf Stunden arbeiten muss, um jene 2958 Euro zu erreichen. "Es ist keinem zu erklären, warum diese Grenze so hoch sein soll." Der Vorsitzende des Unions-Parlamentskreises Mittelstand, Christian von Stetten, brachte gar ein Ultimatum gegen Nahles ins Spiel: "Sollte die Ministerin sich weigern, die Bürokratie und die Dokumentationspflichten im Sinne einer praktikablen Handhabung zu ändern, muss die Bundeskanzlerin von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch machen und die Arbeitsministerin dazu anweisen." Doch hier will Nahles weiter hart bleiben. Unter Ausschöpfung aller arbeitsrechtlichen Möglichkeiten lasse sich die Arbeitszeit bis zu einem Verdienst von 2958 Euro per Mindestlohn erreichen, hieß es dort. "Wenn man hier die Grenze zieht, ist man auf der sicheren Seite."

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