Middelhoff verweigert Zeugenaussage

Köln · Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff sollte eine Schlüsselfigur im Kölner Prozess gegen die frühere Führungsriege des Bankhauses Sal. Oppenheim sein. Gestern verärgerte er Richterin und Staatsanwalt jedoch.

Die hohen Erwartungen wurden enttäuscht: Thomas Middelhoff (60), früherer Chef des Handelskonzerns Arcandor (Karstadt-Quelle), hat gestern im Strafprozess gegen die frühere Führung des Bankhauses Sal. Oppenheim überraschend die Aussage verweigert. Vor dem Kölner Landgericht begründete sein Anwalt Winfried Holtermüller dies mit dem jüngsten Bericht des Magazins "Focus" über ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung gegen seinen Mandanten.

Dass die Bochumer Staatsanwaltschaft seit 2009 gegen Middelhoff ermittelt, ist aber seit längerem bekannt. Die Vorsitzende Richterin Sabine Grobecker kritisierte, die Anwälte hätten zuvor wiederholt angekündigt, Middelhoff werde inhaltliche Angaben machen. Die Kehrtwende wegen eines Magazin-Berichts über ein lange laufendes Ermittlungsverfahren sei nicht nachvollziehbar. Noch deutlicher wurde Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich: "Das, was Sie hier heute machen, lässt jeden Respekt gegenüber dem Gericht vermissen." Es sei "erbärmlich und unglaubwürdig", sich hinter "fünf Zeilen" aus dem "Focus" zu verstecken.

In dem seit gut einem Jahr dauernden Kölner Strafverfahren sind das einstige Führungsquartett der Sal.-Oppenheim-Bank und ihr damals enger Geschäftspartner Josef Esch teils wegen Untreue in besonders schwerem Fall, teils wegen Beihilfe dazu angeklagt. Sie bestreiten die Vorwürfe. Das Schicksal der früher größten europäischen Privatbank und des Pleitekonzerns Arcandor - 2005 war Middelhoff dort Vorstandschef geworden - waren eng miteinander verbunden. Vor der Konzern-Insolvenz im Sommer 2009 war das Geldhaus größter Arcandor-Aktionär geworden und geriet dadurch mit in den Abwärtsstrudel. Die Deutsche Bank übernahm die Bank Anfang 2010 in stark verkleinerter Form.

Middelhoff sagte vor dem Gericht nur, welche Positionen er bei Arcandor bekleidete. Unbeantwortet blieb, wie sein Kontakt zu Sal. Oppenheim war oder wie die wirtschaftliche Lage des Konzerns 2008 aussah. Der 60-Jährige muss sich heute in Essen selbst als Angeklagter in einem Strafverfahren verantworten. Die Bochumer Staatsanwaltschaft wirft ihm Untreue in 49 Fällen vor. Es geht vor allem um Charterflüge auf Firmenkosten, die laut Anklage privaten Zwecken dienten. Middelhoff selbst weist die Vorwürfe zurück. Sein Anwalt Holtermüller rechnet mit einem Freispruch. Middelhoff versprach, er werde heute vor Gericht aussagen.

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