Beckingen Kein Paradies, sondern für Kinder die Hölle

Beckingen · Die Leiterin einer Hilfsorganisation auf Madagaskar informierte in Beckingen über ihre Arbeit.

 Miarintsoa „Mia“ Razanakiniaina, die Leiterin der nicht staatlichen Hilfsorganisation „Manda“ in Antananarivo auf Madagaskar, war zu Besuch in Beckingen.

Miarintsoa „Mia“ Razanakiniaina, die Leiterin der nicht staatlichen Hilfsorganisation „Manda“ in Antananarivo auf Madagaskar, war zu Besuch in Beckingen.

Foto: Gérard Carau

Die Leiterin der Hilfsorganisation „Manda“ in Madagaskar, Miarintsoa „Mia“ Razanakiniaina, war unlängst zu Besuch in Beckingen. Sie ist zurzeit auf Einladung des deutschen gemeinnützigen Vereins „Zaza Faly“ in Deutschland unterwegs und hat in diesem Kontext Initiatoren der „Beckinger Gespräche“ von ihren Erfahrungen vor Ort berichtet.

Und diese sind nicht sehr positiv, wie Gérard Carau, einer der Teilnehmer des Gespräches in Beckingen, im Nachgang zusammenfasst: Madagaskar, mit 588 000 Quadratkilometern die viertgrößte Insel der Erde, wird häufig wegen ihrer Vielfalt als „Sechster Kontinent“ oder gar Paradies bezeichnet, ist aber tatsächlich ein bitterarmes Land. Madagaskar ist zwar seit 1960 offiziell unabhängig und eine Semi-Präsidialrepublik. Doch die sozialen Unterschiede sind gewaltig: Die kleine Oberschicht ausgenommen, gehören die 23 Millionen Malgaschen, ein buntes Sammelsurium von Ethnien aus Asien, Afrika und Europa, zu den Ärmsten der Armen auf unserem Planeten. Die vermeintlich paradiesische Umwelt, von der so viele Berichte schwärmen, ist längst weitestgehend zerstört, im wahrsten Sinne des Wortes weggerodet. Aus dem Großteil des Urwaldes ist Holzkohle geworden, die weitestgehend exportiert wird, die wertvollsten Hölzer werden noch abtransportiert.

Lebensmittel wie etwa Reis müssen inzwischen teuer importiert werden, obwohl sie auf der Insel durchaus weitflächig angebaut werden. Der Mindestlohn für die, die überhaupt Arbeit finden, liegt bei 47 Euro pro Monat. Die Infrastruktur auf der Insel ist sehr mangelhaft bis nicht vorhanden: Es gibt nicht einmal 3000 Kilometer Straßen und noch keine 1000 Kilometer Eisenbahnen in diesem riesigen Land. Trinkwasser-und Stromversorgung sind in weiten Landstrichen – außer dort, wo es Touristen gibt – unterentwickelt. „Eine unfähige, wohl zynisch zu nennende Regierung überlässt die Bevölkerung ihrem Elend. Oppositionelle Kräfte, die da in Zukunft Abhilfe schaffen könnten, sind so gut wie nicht vorhanden“, sagt Carau.

Für viele Kinder stelle sich das vermeintliche Paradies in der Realität als Hölle dar. Hier setzt die Arbeit von Mia Razanakiniaina an: Sie leitet in der madagassischen Hauptstadt Antananarivo (kurz „Tana“) die Nicht-Regierungs-Organisation „Manda“ (was auf Deutsch in etwa „Schutzburg“ bedeutet), die sich um die viel zu vielen Straßenkinder („enfants des rues“) in der Hauptstadt kümmert, so gut es eben geht. 2014 wurden nach Angaben von Carau in Tana etwa 23 000 Kinder gezählt, die verwahrlost, unterernährt, krank, kriminalitäts- und drogenanfällig sind und zum Leidwesen der erwachsenen Bevölkerung Tag und Nacht die Straßen „belagern“. Die Hilfsorganisation „Manda“ zählt nach den Auskünften ihrer Leiterin 32 Mitarbeiter und kann nur 300 Kinder im Alter von vier bis 18 Jahren dauerhaft ordentlich betreuen – „aber wenig ist mehr als nichts“, findet Carau.

Was „Manda“ im Rahmen ihrer Möglichkeiten tun kann: In vier Häusern den Straßenkindern Unterschlupf geben, für ausreichende Ernährung sorgen, hygienisches Bewusstsein fördern, elementare medizinische Versorgung sichern, aber auch schulische Grund- und Berufsbildung anbieten. Carau: „Es ist ein Tropfen auf den heißen Stein, die Probleme, denen die Mitarbeiter begegnen, sind vielfältig, Krankheiten wie Masern, Tuberkulose, Zahnausfall wegen mangelhafter Ernährung, Diarrhöen et cetera grassieren.“

Finanziert werde die Arbeit von „Manda“ im Wesentlichen durch Patenschaften, die über den Verein „Zaza Faly“ ablaufen. Die madagassische Regierung stellt, wie Mia Razanakiniaina berichtete, lediglich etwa 75 Euro pro Jahr zur Verfügung.

Wer sich näher über „Zaza Faly“ und „Manda“ informieren oder die Organisationen unterstützen möchte, findet hier weitere Informationen: Heiko Jungnitz, Vorsitzender von Zaza Faly, Binzstraße 24, 13189 Berlin; www.zazafaly.de; www.ongmanda.com.

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