Metallbranche gegen alte Altersteilzeit

Saarbrücken. Ein Umdenken fordert der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands Gesamtmetall (Metall- und Elektroindustrie), Ulrich Brocker. Die Bevölkerung schrumpfe, die Menschen würden immer älter, gleichzeitig drängten aber immer weniger Junge in die Arbeitswelt

Saarbrücken. Ein Umdenken fordert der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands Gesamtmetall (Metall- und Elektroindustrie), Ulrich Brocker. Die Bevölkerung schrumpfe, die Menschen würden immer älter, gleichzeitig drängten aber immer weniger Junge in die Arbeitswelt. Deshalb seien die Unternehmen auf den Erfahrungsschatz der älteren Mitarbeiter angewiesen, betonte Brocker im Redaktionsgespräch mit der Saarbrücker Zeitung. Deshalb sei es falsch, im großen Stil immer noch auf die Altersteilzeit alter Prägung zu setzen. Dieses Instrument sei angesichts der deutlich besseren Arbeitsmarktlage und der veränderten demographischen Entwicklung nicht mehr zeitgemäß und konterkarriere die Anstrengungen der Politik für eine längere Beschäftigung der Menschen. Gesamtmetall werde daher nur noch verpflichtenden, erzwingbaren Altersteilzeit-Regelungen in der Metall- und Elektro-Industrie für solche Mitarbeiter zustimmen, die bei ihrer Arbeit "körperlichen Belastungen der besonderen Art ausgesetzt sind". Dazu gehörten unter anderem Menschen, die lange Jahre Schichtarbeit geleistet hätten. Brocker plädiert für einen Weg, der die Gegenrichtung führt: wer noch arbeiten wolle und fit sei, den dürfe man nicht in Rente schicken, nur weil er 65 oder bald 67 Jahre alt werde. Es sei wichtig, mehr über altersgerechte Tätigkeiten nachzudenken, so der 65-Jährige. Auch möchte Brocker das Instrument der Zeitarbeit nicht verteufelt wissen. 2007 habe die Metall- und Elektro-Industrie rund 40000 Zeitarbeiter mehr beschäftigt, dabei zugleich 120000 neue Stammarbeitsplätze geschaffen. 2008 werden es voraussichtlich weniger Zeitarbeitskräfte sein. "Zwei Drittel der Zeitarbeiter waren vorher arbeitslos." "Die Alternative zu Zeitarbeit ist Arbeitslosigkeit", betont der Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer. Zeitarbeit bringe den Unternehmen mehr Flexibilität und den Zeitarbeitern selbst die Chance, anschließend in ein Arbeitsverhältnis im Einsatzbetrieb übernommen zu werden.Brocker hob die großen Leistungen der Industrie zur Schaffung von Arbeitsplätzen hervor. In Zukunft alleine nur noch auf Dienstleistungen zu setzen oder Industrie-Ansiedlungen zu verhindern, wäre falsch, denn auch der Dienstleistungs-Sektor alleine könne nicht im großen Stil neue Arbeitsplätze schaffen. Die Zukunft müsse in einem gesunden Mix aus Industrie und Dienstleistung liegen. Deshalb müssten die Rahmenbedingungen für die Metall- und Elektro-Industrie verbessert werden. Schon jetzt gehe der gesamte Aufbau von Beschäftigung in Deutschland auf das Konto der Metall- und Elektro-Industrie. Innerhalb von nur zwei Jahren habe sich die Zahl der Stammarbeitsplätze um 220000 auf 3,6 Millionen erhöht. Berufe in der Industrie blieben sehr attraktiv. Deshalb rät Brocker jungen Frauen, sich gegen gängige Vorurteile zu stemmen und ihre eigene Perspektive auch in solchen Berufen der Metall- und Elektro-Industrie zu suchen, die früher als Männerdomänen galten.

Zur PersonUlrich Brocker (65) wurde in Hamm (Westfalen) geboren. Er studierte Rechtswissenschaft an den Universitäten Tübingen, Bonn und Münster. Fast während seines ganzen Arbeitslebens war er in der Verbandsarbeit tätig, unter anderem als Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Keramischen Industrie sowie als Chef des Verbands der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg. Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall ist er seit März. redHintergrundDie Verhandlungen über eine neue Altersteilzeit-Regelung sollen im Pilotbezirk Baden-Württemberg heute wieder aufgenommen werden. Das signalisierten Arbeitgeber und Gewerkschaft. red

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