Merkel will Stromrabatte kappen

Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Stromrabatte für die Industrie begrenzen und damit die Bürger bei den Stromkosten entlasten. Die Regierung sei bereits dabei, die Netzentgeltverordnung zu reformieren, sagte sie gestern nach einem Spitzentreffen mit Wirtschaft und Umweltverbänden zur Energiewende im Kanzleramt

Berlin. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Stromrabatte für die Industrie begrenzen und damit die Bürger bei den Stromkosten entlasten. Die Regierung sei bereits dabei, die Netzentgeltverordnung zu reformieren, sagte sie gestern nach einem Spitzentreffen mit Wirtschaft und Umweltverbänden zur Energiewende im Kanzleramt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte die Befreiung von besonders stromintensiven Unternehmen bei den Netzkosten für nichtig erklärt.Die Verbraucher zahlen die Netzentgelt-Befreiung bisher über ihren Strompreis mit. Die SPD warf Merkel Versagen bei der Energiewende vor und warnte die Regierung vor einem zu starken Kappen der Industrie-Rabatte. "Energie muss bezahlbar bleiben - für die Bürger, aber auch für die Industrie. Aus der Förderung der regenerativen Energien darf für Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, kein Standortnachteil werden", sagte Saar-Wirtschaftsminister Heiko Maas (SPD). Die Bundesregierung plant, die komplette Befreiung rasch aufzuheben. Große Firmen sollen gestaffelt nach Verbrauch geringe Netznutzungskosten zahlen. Im Gespräch sind rund zehn bis 20 Prozent der normalen Netzkosten.

So könnten die Bürger etwas entlastet werden. Bei einem Verbrauch von 3500 Kilowattstunden schlägt die Umlage zur Finanzierung der Netzkosten-Ausnahmen derzeit mit etwa 11,50 Euro pro Jahr zu Buche. Die EU-Kommission prüft, ob es sich um unerlaubte Beihilfen handelt. In diesem Jahr wird das Volumen der Rabatte und Befreiungen bei den Netzentgelten mit 800 Millionen Euro beziffert (2012: 440 Millionen).

Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) will zudem Rabatte bei der Förderung erneuerbarer Energien für die Industrie um bis zu 700 Millionen Euro kappen, damit die Strompreise von Mittelstand und Bürgern nicht weiter steigen. Merkel sagte aber, dass bestimmte Ausnahmen für die energieintensive Industrie weiter notwendig seien. "Wir müssen ein faires Verfahren finden, um die wirklich im weltweiten Wettbewerb stehende Industrie nicht zu benachteiligen."

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) lobte die Bereitschaft der Umweltverbände, einen schnelleren Netzausbau zu unterstützen. Es werde eine Klärungsstelle eingerichtet, um Klageverfahren zu verkürzen, sagte er. "Wir sind im Zeitplan", sagte er. Planungs- und Bauzeiten bei neuen Trassen sollen von zehn auf vier Jahre verkürzt werden. In den nächsten Jahren sollen drei neue Stromautobahnen von Nord nach Süd mit einer Länge von 2800 Kilometern entstehen. 2900 Kilometer im Höchstspannungsnetz sollen so optimiert werden, dass Wind- und Solarstrom besser verteilt werden können.

Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, warnte vor einer zu starken Belastung der Industrie. "Wir sind für eine faire Lastenverteilung." Aber Industrie, Handel und Dienstleistungen stemmten schon die Hälfte der Förderkosten für erneuerbare Energien. Der Präsident des Deutschen Naturschutzrings, Hartmut Vogtmann, warnte vor einem Abwürgen des Ausbaus der Erneuerbaren durch die geplante Strompreisbremse. "Lieber langsam machen und eine Reform erarbeiten, die solide ist", sagte er. Altmaier will durch Einfrieren der im Strompreis enthaltenen Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien die Kosten begrenzen. dpa

Meinung

Viel Schaumschlägerei

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

An öffentlicher Inszenierung lässt es die Bundesregierung bei der Energiewende nicht mangeln. Gestern fand wieder ein "Gipfel" im Kanzleramt statt, bei der alle Beteiligten hinterher versicherten, wie toll man vorankomme. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Über Monate hatten sich Umweltminister und Wirtschaftsminister wechselseitig blockiert, weshalb eine konkrete Regelung zur Strompreisbremse immer noch in den Sternen steht. Und hätte es die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in Sachen Netzkosten nicht gegeben, die Veranstaltung im Kanzleramt wäre über bloße Floskeln kaum hinausgekommen. Werden die Netzkosten auf mehr Schultern verteilt, sinkt der Strompreis für die privaten Verbraucher. Das ist dringend notwendig. Ansonsten droht die gesellschaftliche Akzeptanz der Energiewende verloren zu gehen.

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