Mehr Missbrauch bei Hartz IV

Nürnberg. Nach einer Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit erschleicht sich etwa jeder 100. der insgesamt 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger ungerechtfertigte Zahlungen vom Staat. Und die Tendenz beim Leistungsmissbrauch ist offenbar steigend

Nürnberg. Nach einer Untersuchung der Bundesagentur für Arbeit erschleicht sich etwa jeder 100. der insgesamt 6,5 Millionen Hartz-IV-Empfänger ungerechtfertigte Zahlungen vom Staat. Und die Tendenz beim Leistungsmissbrauch ist offenbar steigend. Aus der unserer Zeitung vorliegenden Studie geht hervor, dass die Jobcenter der Arbeitsgemeinschaften (Argen) im ersten Halbjahr 2009 rund 39 500 tatsächliche Missbrauchsfälle aufgedeckt und geahndet haben. Das waren zwölf Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Weitere 27 114 Fälle wurden an die Zollverwaltung und an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Das entspricht einer Steigerung von 9,3 Prozent. Hierbei handelt es sich ausschließlich um Verdachtsfälle von Schwarzarbeit. Sie zählt neben verschwiegenen Einkünften sowie falschen Angaben zur Bedarfsgemeinschaft zu den Hauptursachen für zu viel gezahlte Hartz-IV-Leistungen. Insgesamt wurden von Januar bis Juni 86 934 Straf- und Bußgeldverfahren eingeleitet, 6,2 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2008. Die Argen können je nach Schwere der Verfehlung eine Verwarnung aussprechen oder Geldbußen verhängen. Die Summe der Strafzahlungen betrug in den ersten sechs Monaten rund zwei Millionen Euro. Das waren 3,8 Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2008. Die Höhe des Strafgeldes lag pro Fall im Durchschnitt bei 108 Euro. "Ein Teil dieser Entwicklung ist darauf zurückführen, dass sich die Situation in den Argen, die erst seit dem 1. Januar 2007 für die Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten zuständig sind, personell, organisatorisch und fachlich verbessert hat", heißt es in der Vorlage der Bundesagentur. Die Tatsache, dass mehr qualifizierte Mitarbeiter auch in größerem Maße fündig werden, hat eine Kehrseite: Die Zahl der unerledigten Verfahren ist gestiegen. Im ersten Halbjahr gab es rund 31 000 noch nicht abschließend bearbeitete Fälle. Das waren rund 45 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Nach Einschätzung der Bundesagentur ist der Leistungsmissbrauch gemessen an der Anzahl der Bedürftigen "relativ gering verbreitet". Seine Bekämpfung bleibe aber eine "Daueraufgabe". Zu einem ähnlichen Schluss kommt der Arbeitsmarktexperte Herbert Buscher vom Institut für Wirtschaftsforschung (IWH) in Halle. "Einen Missbrauch gibt es leider bei jedem Leistungsgesetz. Aber die Zahl der Fälle bleibt bei Hartz IV im Rahmen."

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