Mehr als ein Bundesland

Eine runde Sache. 60. Geburtstag feiert das Saarland als Teil der Bundesrepublik. Bei Berufstätigen wird dieser 60. mit Fresskörben und vielen lobenden Reden gewürdigt - weil's der letzte Runde vor der Rente ist. Da ist es logisch, dass die Landesregierung diesen Jubeltag eher bescheiden begeht. Schließlich droht uns als Bundesland kaum der Ruhestand - auch weil der Kompromiss für den Finanzausgleich vor wenigen Wochen dem Saarland eine echte Zukunfts-Perspektive eröffnet hat. Ein schönes Geburtstagsgeschenk - und ein verdientes. Schließlich sind wir vor 60 Jahren nicht Rheinland-Pfalz beigetreten, sondern der Bundesrepublik als damals zehntes Bundesland. Also: Glückwunsch!

Um aber auch das klar zu sagen: Das Saarland bliebe auch das Saarland, wenn es in Saarbrücken keinen Landtag gäbe. Mag sein, dass die Moselfranken in Mettlach "dat" und die Rheinfranken in St. Ingbert "das" sagen, dass die Preußen in Wadern vor hundert Jahren nicht ahnten, dass sie mal mit den Bayern aus Homburg in einen Topf geworfen werden. Doch die Bürger im Hochwald, im Saargau, an der der Blies und in den anderen Regionen haben im 20. Jahrhundert zu viel gemeinsam erlebt, um sich weniger zusammengehörig zu fühlen als Franken oder Friesen. Sie haben den Aufstieg und Niedergang der Kohle gesehen, sind zweimal nach Kriegen zum Spielball der Weltpolitik geworden. Die meisten hören seit Jahrzehnten denselben Sender, lesen dieselbe Zeitung, waren g emeinsam stolz auf sportliche Erfolge von Armin Hary , Joachim Deckarm und Jonas Hector, auf den Grand-Prix-Sieg von Nicole und die Hits von Frank Farian . Sie haben Oskar Lafontaine als einen der ihren gesehen - und Heinz Becker, obwohl Gerd Dudenhöffer anders spricht als etwa die Leute in Losheim. Nein, die Saarländer brauchen kein eigenes Bundesland, um Saarländer zu sein.

Und doch: Warum sollten sie darauf verzichten? Warum ihre Spitzenbeamten nach Mainz pendeln lassen, wo schon der Bund hier kaum Behörden hat und die Konzerne nur Werkbänke ansiedeln? Warum die drei Stimmen im Bundesrat abgeben? Das wäre ja schön blöd!

Schließlich gibt es weitere Vorteile der Eigenstaatlichkeit - wenn man sie nutzt. Zwar ist der Gestaltungsspielraum der Länder klein, aber es gibt ihn. Die Frankreichstrategie ist ein Beispiel. Hier nutzt das Saarland seine Kulturhoheit für ein Alleinstellungsmerkmal, das sich so nur ein kleines Land erlauben kann. Weil ihm Nischen offenstehen. Weil es Exzellenz im Besonderen anstreben kann, wo die Großen Mittelmäßigkeit in der Breite anbieten müssen. Da gibt es Luft nach oben. Darüber sollte man im Landtagswahlkampf streiten. Damit in fünf Jahren, wenn das Bundesland 65 wird, wirklich keiner über seinen Ruhestand redet.

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