Massive Einbußen für deutsche Bauern

Brüssel. Europas Landwirtschaft wird komplett umgegraben. Spätestens 2014 müssen die deutschen Bauern mit erheblichen Kürzungen ihrer Subventionen aus Brüssel rechnen

Brüssel. Europas Landwirtschaft wird komplett umgegraben. Spätestens 2014 müssen die deutschen Bauern mit erheblichen Kürzungen ihrer Subventionen aus Brüssel rechnen. Von den bisher 5,4 Milliarden Euro pro Jahr könnte im schlechtesten Fall mehr als eine Milliarden wegfallen, hatte Bauernverbandspräsident Gerd Sonnleitner bereits ausgerechnet, noch bevor EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos gestern seine Vorschläge für eine "gerechte, umweltfreundliche, effiziente und wirkungsvolle" Fortentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in Brüssel präsentierte.Im Kern bedeuten die Vorschläge eine Abschaffung der Direktbeihilfen zugunsten einer Grundsicherung, die für besonders ökologische Anbauweise aufgestockt werden kann. Vor allem größere Höfe und landwirtschaftliche Betriebe müssten dann mit deutlich weniger Geld klarkommen als jetzt. Es gibt drastische Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Während ein griechischer Bauer pro Hektar 600 Euro pro Jahr aus Brüssel bekommt, erhält sein rumänischer Kollege weniger als 100 Euro. Deutsche Landwirte liegen mit im Schnitt 300 Euro je Hektar in der Mitte.Nunmehr will Ciolos eine für alle Landwirte gleiche Grundsicherung einführen, die zwischen 150 und 200 Euro liegen könnte. Zuschläge sind möglich, wenn beispielsweise Grünland, das als CO2-Speicher ökologisch wichtig ist, gepflegt oder durch die Fruchtfolge (im jährlichen Wechsel werden verschiedene Produkte angebaut) Böden entlastet werden. Landwirte in besonders schwierigen Anbaugebieten (beispielsweise Berglagen) sollen weiter mit Aufschlägen entschädigt werden. "Keine klare Linie, kein schlüssiger Ansatz", kritisierte Bauernverbandschef Sonnleitner das Papier. Der Deutsche Raiffeisenverband, der über 2600 Unternehmen im Agrarhandel vertritt, wehrt sich gegen die Obergrenze für Direktzahlungen, die Brüssel bei größeren Betrieben einführen will. "Einseitig" würden die Großunternehmen im Vergleich zu den kleineren Familienhöfen belastet. Auch die Vermischung der beiden "Säulen" in der Landwirtschaftspolitik (Zahlungen an die Betriebe und Förderung des ländlichen Raums) gilt als "Tabubruch". Nicht einmal das künftige "Instrumentarium zum Risiko-Management", mit dem die Bauern vor Missernten und Einkommensschwankungen geschützt werden sollen, "genügt den Anforderungen", hieß es. "Die Bauern müssen heute im Schnitt mit der Hälfte des Einkommens leben, über das andere vergleichbare Berufsgruppen verfügen", sagte der Chef der europäischen Agrargenossenschaft Copa-Cogeca, Pekka Pesonen. "Daran ändert auch die Umverteilung, die die Kommission plant, nichts."Dabei will der Agrarkommissar nicht nur bestehende Fehler im Subventionssystem ausbügeln und endlich die Wende hin zu einer grünen Agrarpolitik schaffen. "Wir müssen auch dafür sorgen, dass vor dem Hintergrund des weltweit steigenden Bedarfs künftig genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stehen." Sicherheitsexperten fürchten, dass Europa von den großen Agrar-Nationen abhängig werden könnte. Auf dem Nato-Gipfel am Wochenende wird diskutiert, ob das Bündnis nicht nur die Energie-, sondern auch die Nahrungsmittelversorgung schützen solle. Der Vorschlag zur Agrarreform muss nun von den 27 Landwirtschaftsministern und dem EU-Parlament beraten werden.

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