"Manchmal sind wir unsichtbar"

Herr Schaub, Ihr Episodenfilm "Happy New Year" lief im vergangene Jahr zur Eröffnung des 30. Max Ophüls Preises. Damals konnten Sie nicht kommen, weil Sie gerade einen neuen Film drehten. Der ist inzwischen fertig, heißt "Giulias Verschwinden" und eröffnet jetzt das 31. Saarbrücker Festival. Wie kam's dazu?Schaub: Das war die Entscheidung der Festivalleitung

Herr Schaub, Ihr Episodenfilm "Happy New Year" lief im vergangene Jahr zur Eröffnung des 30. Max Ophüls Preises. Damals konnten Sie nicht kommen, weil Sie gerade einen neuen Film drehten. Der ist inzwischen fertig, heißt "Giulias Verschwinden" und eröffnet jetzt das 31. Saarbrücker Festival. Wie kam's dazu?

Schaub: Das war die Entscheidung der Festivalleitung. Sie hat den Film gesehen und wollte ihn zur Eröffnung haben, aber unter der Bedingung, dass ich und die Darstellerin Sunnyi Melles nach Saarbrücken kommen. Und das klappt in diesem Jahr, wir freuen uns auf den Besuch.

Verfolgen Sie den Max Ophüls Preis in jedem Jahr, wie ist die Resonanz in der Schweiz?

Schaub: Das Festival wird schon stark wahrgenommen, zumal es immer vor den Solothurner Filmtagen stattfindet. Da schaut man hier in der Schweiz genau hin, welche Filme laufen und wer die Preise gewinnt. Der Ophüls-Preis ist ein wichtiges Festival für die Karriere von jungen Filmemachern.

In diesem Jahr ist nur ein Schweizer Beitrag im Spielfilm-Wettbewerb in Saarbrücken vertreten. Die Festivalleitung spricht von einem zahlenmäßig schwachen Produktionsjahrgang. Woran liegt das ihrer Erfahrung nach?

Schaub: Das sind so Zufälle. Die Schweiz ist ein kleines Land, die Deutschschweiz nochmal kleiner, gerade mal 4,5 Millionen Einwohner. Da gibt es Jahrgänge mit vielen und dann wieder mit wenigen Filmen, das wechselt. Allgemein aber ist die Spielfilmproduktion im Aufwind, es werden pro Jahr um die zehn, zwölf Filme gedreht.

Für "Giulias Verschwinden" haben Sie den renommierten X-Filmverleih gewinnen können. Wie kam das zustande?

Schaub: Der Film lief in Locarno, beim Internationalen Festival, kam gut an, gewann sogar den Publikumspreis. So stieß er auf großes Interesse, einige Verleiher haben angefragt, darunter auch X-Film und die bekamen dann den Zuschlag.

Mit Ihrem Landsmann Bruno Ganz und Corinna Harfouch an der Spitze konnten Sie mit zwei ganz großen deutschsprachigen Schauspielern arbeiten. War es schwierig, sie für Ihr Projekt zu bekommen?

Schaub: Nein, das ging relativ einfach. Ich habe zuerst mit Bruno gesprochen und dann mit Corinna, die hier am Schauspielhaus Zürich gespielt hat. Beide haben das Drehbuch gelesen und ziemlich schnell zugesagt. Ihnen gefallen die Figuren und die Dialoge, es sind dankbare Rollen mit Tiefgang.

Wie ist der Film in der Schweiz gelaufen?

Schaub: Sehr gut. Er ist der Box-Office-Hit, läuft immer noch gut und hat bald 160 000 Zuschauer. Das entspricht etwa einer Million in Deutschland, also ein richtiger Knüller.

Am 4. Februar kommt er in die deutschen Kinos. Was erwarten und erhoffen Sie?

Schaub: Es gibt eigentlich keinen Grund, dass er nicht auch in Deutschland erfolgreich sein kann. Der Film ist sehr prominent besetzt, ich hoffe, dass er dem deutschen Publikum gefällt und bin auch ganz zuversichtlich.

In "Giulias Verschwinden" geht es um das Thema Älterwerden, ein universeller Stoff, was hat sie besonders daran gereizt?

Schaub: Ich bin ja selbst auch inzwischen 50 und mir gefällt es, wenn man humorvoll mit dem Thema umgeht. Man muss dem mit Ironie, Witz und Schlauheit begegnen, sodass man als Zuschauer das Gefühl hat, so schlimm kann's nicht sein mit dem Älterwerden. So wollten wir dieses vermeintlich schwere Thema behandeln.

Ihr Autor Martin Suter ist zehn Jahre älter als Sie, Jahrgang 1948. Haben Sie beide ähnliche Erfahrungen mit dem Älterwerden und der Diskussion darüber gemacht?

Schaub: Ja, wir sind da so ein bisschen Wahlverwandte in der Art, wie man darüber denkt und wie man diesem Thema begegnet. Wir haben uns zwar erst bei diesem Projekt richtig kennen gelernt, aber die Art und Weise, wie Martin Suter die Figuren angelegt und beschrieben hat, das entspricht auch meiner Weltsicht.

Mit zunehmenden Alter sieht und hört man schlechter, jeder hat so seine Probleme. Aber Ältere haben auch Vorteile: Wissen, Erfahrung, Gelassenheit. Kommt das in der öffentlichen Diskussion zu kurz?

Schaub: Es ist schon so, das die positiven Eigenschaften der Jugend stärker hervorgehoben werden. Da lastet mehr Druck auf den Älteren, bei Frauen vielleicht noch mehr als bei Männern. Dieser gesellschaftliche Druck, wie man zu sein hat, welche Anforderungen an einen gestellt werden, das ist schon sehr einfältig. Dem sollte man nicht nachgeben.

"50 ist nicht schlimm, 40 war schlimmer" heißt es in Ihrem Film. Wie war das bei Ihnen? Haben sie Ihren 50. Geburtstag gefeiert oder sind Sie auch geflüchtet?

Schaub: Ich habe meinen 50. Geburtstag gefeiert, aber ich musste mir einen Ruck geben. Ich habe diese Geburtstage nie so richtig gemocht, aber da habe ich mir gesagt, das musst du jetzt packen und dann habe ich viele Freunde und Weggefährten eingeladen, auch um denen etwas zurückzugeben. Und so war es eine sehr schöne Feier.

"Ab einem gewissen Alter wird man unsichtbar" ist ein weiterer Satz aus Ihrem Film, das heißt: Jüngere Menschen übersehen uns Ältere einfach. Ist Ihnen das auch schon mal passiert?

Schaub: Ja, man erinnert sich schon daran, dass man einen ganz anderen Auftritt hatte, als man 20 oder 25 war. Heute ist man manchmal unsichtbar, muss mehr tun, damit die Menschen einen wahrnehmen, auch als Filmregisseur. Die Neugier auf jüngere Regisseure ist schon größer, da müssen wir älteren uns besonders anstrengen.

AUF EINEN BLICK

Christoph Schaub, 1958 in Zürich geboren, gewann mit "Wendel" den Max-Ophüls-Preis 1988. In seinem neuen Film "Giulias Verschwinden", der heute das Festival eröffnet, spielt Corinna Harfouch eine 50-Jährige, die ihre Geburtstagsgäste warten lässt und in der Stadt auf einen fremden Mann (Bruno Ganz) trifft. Mit Witz und Selbstironie erzählt Schaub vom Älterwerden, seine Figuren haben Tiefgang, der Film ist sehr unterhaltsam. tr

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