"Man kommt der Kunst sehr nahe"

Saarbrücken. "Etwas Raum für Kunst" hat der Student Peter Strickmann in seiner Besenkammer geschaffen - und damit nicht nur eine Nische in seiner Studenten-Wohngemeinschaft in der Saarbrücker Rosenstraße einer orginellen, ungewöhnlichen Nutzung zugeführt. Er hat auch eine Nische im Saarbrücker Kunstbetrieb besetzt

 Peter Strickmann steht Kopf in der "Besenkammer". Martina Wegener (li.) schlägt diese Position in ihrer Installation zum Betrachten eines Fotos vor, um die Sinne zu trainieren. Fotos: Maurer

Peter Strickmann steht Kopf in der "Besenkammer". Martina Wegener (li.) schlägt diese Position in ihrer Installation zum Betrachten eines Fotos vor, um die Sinne zu trainieren. Fotos: Maurer

Saarbrücken. "Etwas Raum für Kunst" hat der Student Peter Strickmann in seiner Besenkammer geschaffen - und damit nicht nur eine Nische in seiner Studenten-Wohngemeinschaft in der Saarbrücker Rosenstraße einer orginellen, ungewöhnlichen Nutzung zugeführt. Er hat auch eine Nische im Saarbrücker Kunstbetrieb besetzt. Denn die Idee, Kunstausstellungen in einer sechs Kubikmeter großen Besenkammer zu veranstalten, mag das verwöhnte Publikum in hippen Großstädten wie Berlin, Köln oder München, wo es eine Vielzahl schräger Kulturorte gibt, kaum erstaunen. In Saarbrücken ist Strickmanns sehenswerte "Besenkammer" aber eine Attraktion. Und keineswegs sollte sie nur von Kunstfreaks besucht werden.

Das Ganze ist tatsächlich "eine ernst gemeinte Sache", versichert der 26-Jährige, der sich selbstbewusst "Kurator" nennt und höchst professionell für seine Mini-Galerie im Internet und auf Flyern wirbt. Schließlich hat er nicht umsonst Kommunikationsdesign studiert, bevor er zum Studium der Freien Kunst mit Schwerpunkt audiovisuelle Kunst (bei Professorin und Klangkünstlerin Christina Kubisch) an die Hochschule der Bildenden Künste Saar kam.

Die "Besenkammer" ist nicht Peter Strickmanns erstes Projekt dieser Art. Im Ruhrgebiet leitete er mit anderen Studenten bereits einen Kunstraum. Wie in der "Besenkammer" stellten auch dort Nachwuchskünstler, meist Kunst-Studenten, aus. So wie derzeit Martina Wegener, die bei Strickmann ihre audiovisuelle Installation "sensus curare" zeigt. Wer sie erleben will, muss sich erst einmal überwinden, die Kunst anzufassen, mit ihr zu spielen. Und genau das macht den Reiz dieses Ausstellungsformates aus. "Man kommt hier der Kunst sehr nahe", sagt Peter Strickmann bei einer Tasse Kaffee am Küchentisch in der geräumigen, gemütlichen Wohnküche vor der "Besenkammer". Und es ist genau dies, was er und seine Mitstreiter sich vorgenommen haben: Kunst erlebbar zu machen, Berührungsängste abzubauen, zu begeistern und - nicht zuletzt - schwer Zugängliches zu diskutieren und - bei Bedarf - gar zu erklären. Denn gerade die vielschichtige Performance- und Installations-Kunst mit ihren unzähligen Bezügen und Querverweisen überfordert so manchen Betrachter. Der landet dann, wenn er will, zum Plausch mit "engagiertem Teetrinken" an Strickmanns Küchentisch, wo er seine Kunst-Erfahrung dann vertiefen kann.

Zurück zu Martina Wegeners Installation. "Sensus curare" dreht sich um Sinneswahrnehmungen. In der "Besenkammer" macht Wegener, die ebenfalls Freie Kunst an der HBK Saar studiert, dem Besucher verschiedene Angebote, die Überschneidungen der eigenen Sinne bewusst zu erproben. Man hört über Kopfhörer einen Text über die Behandlung eines Tinnitus, untermalt mit Vogelgezwitscher. Auf dem Fensterbrett draußen zirpen lebende Grillen in einer Box. Wer will, kann sich - nach einer Anleitung - im Handstand ein Bild eines Kirchenraumes aus verdrehter Perspektive anschauen. So auf den Kopf gestellt wird das Kirchengewölbe zu einer Art Skater-Bahn. Wer sehr viel Zeit mitbringt, kann schließlich in die bereitgestellten Filzpantoffel schlüpfen und in den Büchern über griechische Mythologie blättern, die Martina Wegener für ihre Installation inspiriert haben. Denn schon Platon und Homer beschäftigten sich mit den Sinnen. Bewusst Hören, Sehen, Fühlen soll man bei dieser interaktiven Kunstaktion - ein Parcours der Sinne auf zwei Quadratmetern.

"Die Künstler, die hier ausstellen, müssen sich auf die besondere Raumsituation einlassen. Es ist ein schwieriger Raum zum Bespielen", erklärt Strickmann. Seit die "Besenkammer" im Januar eröffnete, haben vier junge Künstler dort ausgestellt, es gab sogar einen "artist in residence", der über Wochen in der "Besenkammer" lebte und arbeitete.

Mit den Besucherzahlen ist Peter Strickmann "sehr zufrieden". Zu Ausstellungseröffnungen ist seine Wohnung immer "proppevoll". Und auch sonst kommen viele Besucher. Einen Katalog gibt es zwar nicht, aber die "Begleiterscheinungen", von den ausstellenden Künstlern konzipierte schriftliche Ergänzungen ihrer Arbeiten. Zudem lädt Kurator und Künstler Strickmann hin und wieder zum Frühstück, zu Performances oder Vorträgen ein.

Die "Besenkammer" (Rosenstraße 14, Sb) ist donnerstags und sonntags geöffnet von 15 bis 18 Uhr sowie nach Absprache, Tel. (01 63) 305 69 21. Martina Wegeners Installation ist bis 12. August dort zu sehen.

 Peter Strickmann

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