Man kann also auch im Liegen sitzen

Forbach · Wim Vandekeybus' Choreografie „What the body does not remember” bot im Forbacher Le Carreau große Augenblicke und auch Schreckmomente – nicht nur für den Saarbrücker Ballettchef.

 Steine flogen, aber es schwebten auch Federn. Foto: Danny Willems

Steine flogen, aber es schwebten auch Federn. Foto: Danny Willems

Foto: Danny Willems

Wird er ihn noch auffangen können, den Backstein, den sein Kollege einfach senkrecht in die Luft geworfen hat? Als der Mann lossprintet, ist der Stein schon wieder im Fallen. Sieht verdammt knapp aus. Stijn Celis entfährt im Nachbarsessel ein Schreckenslaut. Der Saarbrücker Ballettchef ist nicht der einzige, der im vollbesetzten Saal des Forbacher Theaters Le Carreau hörbar mitbangt. Unglaublich rasant und präzise sind die neun Tänzerinnen und Tänzer der belgischen Compagnie Ultima Vez. Doch in Wim Vandekeybus' Choreografie "What the Body does not remember" treiben sie ein Spiel mit dem Risiko mit Momenten, die blitzschnelle Entscheidungen verlangen. Meistens fangen sie, manchmal kracht der (Ytong-)Stein auch splitternd auf den Bühnenboden. In diesem Stück, das auch 25 Jahre nach der Premiere noch frisch wirkt, weiß man nie, was gleich kommt.

Wie Kinder, die sich Spiele mit eigenen, seltsamen Regeln ausdenken, legen sich die Tänzer mit nur drei, vier Steinen Wege über die Bühne, klauen sie einander oder stapeln sie bauklotzgleich. Zu Anfang trommelt eine Frau unregelmäßige Rhythmen auf einen tonverstärkten Tisch, dazu wälzen sich zwei Tänzer wieselflink in den unglaublichsten Verrenkungen auf dem Boden. Dann wieder schlingen sich alle Badetücher um Hüften oder Kopf, um sie sich im Aneinandervorbeigehen geschickt wie Taschendiebe gegenseitig vom Leib zu reißen.

Immer wieder verblüfft die Truppe durch extreme Reaktionsschnelligkeit, explosive, artistische Bewegungen, die sie mit Momenten der Langsamkeit, des Innehaltens sehr klug konterkariert. Mit Stühlen zeigen sie schließlich, dass man auch im Liegen sitzen kann. Todernst vortragend beweist man hier skurrilen Humor. Mit Vandekeybus geht es einem wie bei abstrakten Bildern, in denen man Figuratives erkennt. Ständig reißt er alltägliche Bewegungen aus dem vertrauten Kontext und erhebt sie so zur abstrahierenden Kunst.

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