Mal mit Pranke, mal mit feinem Händchen

Saarbrücken · Ende März trat Hélène Grimaud bei den Homburger Meisterkonzerten auf. Ältere Aufnahmen der französischen Pianistin erscheinen nun als famose CD-Box.

Hélène Grimaud, die in der Schweiz lebende Französin, ist musikalisch nicht so leicht zu greifen. Das ist eindrucksvoll zu erleben in den sechs CD-Aufnahmen, die zwischen 1996 und 2001 bei Erato und Teldec erschienen sind und nun von Warner Classics nochmals im Schuber herausgegeben wurden. Sie hat die solistische Pranke für Brahms' vollgriffigen Klaviersatz beim 1. Klavierkonzert, aber auch ein feines Händchen für die lyrisch-melancholischen Intermezzi seines Spätwerks. Sie ist sowohl Ausdruckskünstlerin als auch Strukturalistin. Sie meidet die Extreme, ohne dabei langweilig zu werden.

Gelegentlich, wie in Beethovens Klaviersonate op. 109, wünscht man sich einen etwas dezenteren Pedaleinsatz, weil doch manches verunklart. In der Aufnahme von 1995 zeigt sich Grimaud aber als Meisterin der Charakterisierung, die jeder der Variationen im Finale "Gesangvoll, mit innigster Empfindung" eine ganz spezielle Note, einen individuellen Farbton verleiht.

Kleine Freiheiten nimmt sie sich bei Schumanns Klavierkonzert mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin unter David Zinman, was das Zusammenspiel nur noch spannender macht. Auch bei Rachmaninows 2. Klavierkonzert (Philharmonia Orchestra /Vladimir Ashkenazy) zeigt Grimaud Flexibilität, ohne sich dabei zu verlieren.

Die Studioaufnahmen haben eine hohe Qualität. Nur dem Live-Mitschnitt von Brahms' erstem Klavierkonzert mit der Staatskapelle Berlin unter Kurt Sanderling fehlen Präzision im Zusammenspiel und eine genaue klangliche Balance. Ein anderes Gesicht zeigt Hélène Grimaud mit den Klavierkonzerten von Gershwin (F-Dur) und Ravel (G-Dur). Mit einem fast perkussiven Anschlag bringt sie die Motorik zum Vibrieren. Und zeigt in den bluesigen Einsprengseln, dass sie auch fern der Romantik ganz zu Hause ist.

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