„Eine große Lücke in meinem Herzen“

Saarbrücken · Gerd Kremer

 Gerd Kremer

Gerd Kremer

Foto: privat

Gerd Kremer ist das vierte von fünf Kindern von Anna Scherer, geborene Kremer. Ihr Mann war 1944 gefallen. Gerd Kremers ältere Geschwister Rolf, Jahrgang 1941, Karl, Jahrgang 1942 und Helma, Jahrgang 1942, tragen den Familiennamen Scherer. Sohn Gerd, Jahrgang 1949 und Tochter Heidi, Jahrgang 1954, wurden unehelich geboren und heißen Kremer wie ihre Mutter als unverheiratete junge Frau. "Die Mutter hat nie verraten, wer der Vater der beiden war. Die Kinder wuchsen in bitterarmen Verhältnissen in Saarbrücken auf", erzählt Sohn Karsten Kremer, Jahrgang 1974. "Die Mutter arbeitete als Putzfrau, um die fünf Kinder durchzubringen. Mein Vater wurde 1955 in die Knappenroth- Schule eingeschult. Die Lehrer schlugen vor, dass er die Mittelschule besuchen sollte. Aber da fehlte einfach das Geld. Er durfte eine Lehre als Fliesenleger machen, die er mit gutem Ergebnis mit der Gesellenprüfung abschloss, während seine älteren Brüder schon als Vierzehnjährige in einer Waggonfabrik malochen mussten."

Karsten beschreibt seinen Vater als einen "jungen Kerl, der wusste, was er wollte, der aber auch hilfsbereit und unternehmungslustig war. Schon als 12- jähriger arbeitete er auf einem Bauernhof, um etwas dazu zu verdienen. Die Arbeit als Fliesenleger war hart. Er wurde ordentlich bezahlt. Aber er wollte mehr, vor allem wollte er was sehen und was erleben." 1966, da war er 17 Jahre alt, trampte er nach Hamburg und heuerte als Hilfsmatrose auf einem Frachter an. Sein erstes Schiff hieß MS Mari, so steht es in seinem Seefahrtbuch, das Sohn Karsten aufblättert: "Er fuhr um die ganze Welt: Südamerika, Nordamerika, Westafrika, in Japan. Er war ein Seebär, ein 1,85 Meter großer Kerl, durchtrainiert. Früher hatte er Krafttraining gemacht. Er lernte englisch, war braun gebrannt, und manchmal kam er im Urlaub nach Hause nach Saarbrücken."

Sohn Karsten hat das Leben seines Vaters für die Trauerrede stichwortartig in einer eigenwilligen Sprache aufgeschrieben: Über die Begegnung mit seiner späteren Frau Christel liest man: "Seinen Anker fand er 1971 mit der gut aussehenden Christel für die nächsten 41 Jahre. 1974 kam ich." Die Hochzeit war noch im selben Jahr in der St. Antonius Kapelle: "Wir waren beide katholisch. Wir haben beide an den großen Chef geglaubt, auch wenn wir nicht jeden Sonntag in der Kirche waren", hat er später erzählt. Ehefrau Christel arbeitete bei der Arbeiterwohlfahrt. Und Gerd Kremer "als Kumpel und Seemann 100 Karat Gold und toller Vadda", wie ihn sein Sohn beschreibt, "musste nach der Hochzeit erst mal seinen Wehrdienst ableisten. Er fuhr als Matrose bei einem Schnellbootgeschwader in der Ostsee, Dienstgrad Gefreiter." 1975 kam er nach Hause und von da an arbeitete er die nächsten 25 Jahre als Fliesenleger: "Sein Grundsatz war: ,Schaffe, nit so viel schwätze."

Die Familie lebte in einer kleinen Mietwohnung. 1979 konnten sie in ein eigenes Haus am Rastpfuhl einziehen. Sohn Karsten, der inzwischen eine Realschule besuchte, die er mit der Mittleren Reife abschloss: "Ich hatte keine schlechten Noten. Aber er war mein Vorbild. Ich hatte Blut geleckt an seiner Arbeit. Ich begann eine Lehre als Fliesenleger. Es machte mir Spaß. Und zu Hause bei uns war immer was los. Unsere Feste waren legendär. Zu Fastnacht und auch im Sommer. Und der Vater war der Schwenkmeister."

Auch finanziell ging es der Familie jetzt besser: "Wir fuhren jedes Jahr in Urlaub nach Ibiza." Sohn Karsten hatte 1994 seine Gesellenprüfung als Fliesenleger mit Note sehr gut und 1998 die Meisterprüfung bestanden. 1999 macht er sich selbstständig. Vater und Sohn arbeiteten künftig zusammen in der Fliesenlegerfirma des Sohnes. Die Mutter organisierte und erledigte die Büroarbeiten. Abends ging "de Vadder" wie Sohn Karsten ihn nennt, "oft noch auf ein Bier in sein Stammlokal ,Sternschnuppe' oder las zu Hause die SZ, den Spiegel oder den Stern. Und am Wochenende waren wir viel unterwegs. ,De Vadder' hatte sich Geländewagen gekauft, zuletzt einen Landrover- Discovery. Wir waren eine Clique von mehreren Familien mit Geländewagen."

Dann der Schicksalsschlag. Am 3. Februar 2013 starb seine Frau Christel an einem Lungenleiden. "Er hat sie gepflegt, war immer für sie da. Dabei war er selbst schwer krank. Er hatte Prostatakrebs. Aber er hat seine Krankheit überspielt. Ich wusste nicht, wie es wirklich um ihn steht. Er hat nicht darüber gesprochen." Sohn Karsten fand seinen Vater morgens tot vor seinem Bett. In seiner Trauerrede sagte er: "Vadda, Du hinterlässt zusammen mit der Mudda eine große Lücke in meinem Herzen. Ihr fehlt mir beide sehr. Ich hoffe und bete, dass es euch gut geht beim großen Chef."

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