Luft nach oben fürs nächste Kino-Jahr

Saarbrücken · Mit 4,2 Millionen Zuschauern ist „Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere“ in Deutschland der erfolgreichste Film 2014. Wie sieht insgesamt die Bilanz dieses Kinojahres aus – kommerziell wie künstlerisch?

 Drei Erfolge (v.l.): „Stromberg – Der Film“ kam durch Fan-Unterstützung zustande; die französische Multikulti-Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ ist auch bei uns ein Hit; und Richard Linklaters Porträt „Boyhood“, über den Zeitraum von zwölf Jahren gedreht, ist ein künstlerischer Triumph. Fotos: Brainpool, Neue Visionen, Fox.

Drei Erfolge (v.l.): „Stromberg – Der Film“ kam durch Fan-Unterstützung zustande; die französische Multikulti-Komödie „Monsieur Claude und seine Töchter“ ist auch bei uns ein Hit; und Richard Linklaters Porträt „Boyhood“, über den Zeitraum von zwölf Jahren gedreht, ist ein künstlerischer Triumph. Fotos: Brainpool, Neue Visionen, Fox.

Auf diese Idee hätte man eigentlich auch bei uns kommen können: Ein Vater von vier Töchtern muss sich in Toleranz, Respekt und Weltoffenheit üben, als seine Mädels vier Schwiegersöhne aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen mit nach Hause bringen. Allein in Deutschland wollten sich 3,6 Millionen Zuschauer die französische Komödie "Monsieur Claude und seine Töchter" nicht entgehen lassen. Unser gallischer Nachbar zeigt uns nach "Willkommen bei den Sch´tis" und "Ziemlich beste Freunde" ein weiteres Mal, wie man im Alltag kleine Geschichten entdeckt, deren komisches Potential sich, nur ein klein wenig überspitzt, auf der Leinwand zu großem Kino entfaltet.

Hierzulande dreht man einerseits enthusiastisch am großen Publikum vorbei. Kopfgeburten wie "Stiller Sommer" oder "Vergiss mein Ich" haben an der Kinokasse nicht für tumultartige Szenen gesorgt. Auf der anderen Seite machen Komödien, die das kleinste gemeinsame Vielfache bedienen, weiterhin Umsatz - "Vaterfreuden" oder "Männerhort" etwa. Aber natürlich gab es in diesem Jahr auch sehenswerte heimische Produktionen. Das Kinodebüt des Büro-Ekels "Stromberg" das von Fans mitfinanziert wurde, brachte eine Menge anarchischen Spaß. "Wir sind die Neuen" thematisierte den Kampf der Generationen und traf damit einen Nerv. Der Mystery-Thriller "Stereo" und das Hacker-Abenteuer "Who Am I - Kein System ist sicher" wagten den kommerziell gefährlichen Ausflug ins deutsche Genre-Kino. Zumindest in letzterem Fall wurde der Mut belohnt.

Kleine, feine Produktionen rechneten mit dem kapitalistischen Optimierungswahn ab ("Zeit der Kannibalen") oder befassten sich mit den Nöten von Langzeitarbeitslosen ("Ein Geschenk der Götter"). Leider ging der zu Recht vielfach preisgekrönte Alpen-Western "Das finstere Tal” im Filmtheater etwas unter. Die Zuschauer werden ihn hoffentlich im Heimkino für sich entdecken.

Blockbuster sahnen ab

Es waren natürlich wieder die US-Blockbuster, die groß absahnten. Die Zerstörungsorgie "Transformers 4: Ära des Untergangs", das etwas andere Superhelden-Abenteuer "Guardians of the Galaxy" oder die kluge und düstere Zukunftsvision "Die Tribute von Panem: Mockingjay 1" belegten dabei Spitzenplätze neben den animierten Doubletten "Drachenzähmen leicht gemacht 2" und "Rio 2 - Dschungelfieber". Immerhin findet sich mit Martin Scorseses "The Wolf Of Wall Street" auch ein amerikanischer Film unter den Top Ten, der auf eine fesselnde Geschichte und exzellentes Schauspiel setzte. Spektakel wie "I, Frankenstein”, "Dracula Untold" und teilweise auch "Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere" vergaßen ob ihrer Schauwerte, eine Geschichte von bleibendem Wert zu erzählen.

Großangelegte Filmbiografien huldigten mehr oder minder erfolgreich "Diana", "Grace of Monaco", "Yves Saint Laurent ” oder Nelson Mandela ("Mandela - Der lange Weg zur Freiheit"). Aktuell kann man noch das Leben des Stephen Hawking in "Die Entdeckung der Unendlichkeit" Revue passieren lassen. Der Freund des gepflegten Dokumentarfilms kam im Kino ebenfalls auf seine Kosten. Werke wie "Watermark", Wim Wenders ' "Das Salz der Erde" (gerade im Saarbrücker Filmhaus zu sehen) oder das erstaunliche Donald Rumsfeld-Porträt "The Unknown Known" waren ein ästhetischer Genuss und dabei spannender als mancher Krimi.

Das aufgrund seiner Intensität nicht leicht auszuhaltende Sklaven-Drama "12 Years A Slave" war ein würdiger Oscar-Gewinner 2014. Aber auch Richard Linklater hätte eine hohe Auszeichnung verdient. In seinem unspektakulär schönen Film "Boyhood" wird der Zuschauer Zeuge, wie ein Sechsjähriger zu einem Jugendlichen und schließlich zu einem jungen Mann reift. Und das ganz ohne Tricks und Spezialeffekte, gedreht wurde tatsächlich über einen Zeitraum von zwölf Jahren hinweg. Dass man mündige Zuschauer nicht mit künstlich aufgebauschten Möchtegern-Skandalen ins Kino lockt, zeigte indes der überschaubare Erfolg von Lars von Triers "Nymphomaniac"-Streifen.

Auch 2014 galt es wieder, von zahlreichen Filmschaffenden Abschied zu nehmen. Mitunter waren die Umstände ihres Dahinscheidens besonders tragisch, so im Falle der Oscar-Preisträger Philip Seymour Hoffman und Robin Williams . Die ganz große Kinosensation ist 2014 ausgeblieben, Filmgeschichte wurde wenig geschrieben. Dem Tagesbedarf an guter Unterhaltung wurde offenbar Genüge getan. Für 2015 bleibt aber viel Luft nach oben.

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