Lothringen will Geld aus Luxemburg

Luxemburg · Pendler aus Belgien, Lothringen und dem Saarland tragen zum Reichtum Luxemburgs bei. Doch bekommen nur die Wohngemeinden belgischer Grenzgänger Hilfe von dem reichen Nachbarn. Das Saarland und Lothringen erhalten nichts.

Mehr als 160 000 Grenzgänger aus Belgien, Frankreich und Deutschland kommen jeden Tag zum Arbeiten nach Luxemburg . Ihre Einkommenssteuer bleibt im Großherzogtum, denn wie in Deutschland wird sie direkt vom Bruttogehalt abgezogen. In ihrem Wohnort nutzen sie aber nach wie vor die mit Steuereinnahmen finanzierte Infrastruktur, zum Beispiel Schulen, Kindergärten und Straßen.

Um den Einnahmeausfall für die Heimatgemeinden von Pendlern auf der belgischen Seite zu mildern, zahlt Luxemburg seit 2004 jährlich in einen "Ausgleichsfonds für Grenzgänger" an Belgien. Das Geld wird dann an die Kommunen weitergeleitet, je nach Höhe des Pendler-Anteils unter den dort lebenden Erwerbstätigen. Über diese Finanzspritze aus Luxemburg dürfen sich die Städte und Gemeinden freuen, die mehr als fünf Prozent Grenzgänger zählen. Das verdanken sie einem Abkommen zwischen beiden Ländern. Für manche Gemeinden geht diese Zahlung in die Millionenhöhe. Arlon zum Beispiel rechnet für 2016 mit 7,17 Millionen Euro.

Diese Regelung ist eine Ausnahme. "Ein solches Abkommen gibt es nur mit Belgien aufgrund der besonderen Beziehungen zwischen beiden Ländern", sagt Bob Kieffer vom luxemburgischen Finanzministerium.

Das größte Kontingent an Grenzgängern Richtung Luxemburg stellt jedoch nicht Belgien (rund 41 000 im Jahr 2014), sondern Frankreich (rund 82 000) - insbesondere Lothringen. Doch eine Finanzspritze als Ausgleich wie für Belgien gibt es nicht. Das ärgert Alain Casoni. Der Bürgermeister des Grenzortes Villerupt zählt unter seinen Erwerbstätigen rund 60 Prozent Pendler ins Großherzogtum. "Und wir sind nicht die Einzigen. In manchen anderen Gemeinden reicht der Anteil an Grenzgängern bis zu 80 Prozent", sagt Casoni. "Die Grenzgänger leisten einen großen Beitrag zum Reichtum Luxemburgs, während uns hier Geld für die Infrastruktur fehlt", bedauert der Bürgermeister. Oft seien sogar grenzüberschreitende Projekte mit dem Großherzogtum daran gescheitert, dass auf lothringischer Seite das Geld zu knapp war.

Seit Jahren macht er Druck, damit ein Ausgleichsfonds nach belgischem Modell eingerichtet wird. Bisher erfolglos. Nicht dass Frankreich prinzipiell solche Abkommen nicht unterzeichnen würde. Mit sieben Schweizer Kantonen existiert eine ähnliche Regelung wie zwischen Luxemburg und Belgien. "Ich verstehe nicht, dass wir nicht das Gleiche mit dem luxemburgischen Nachbarn anstreben", wundert sich Casoni. In Paris fehle der politische Wille. "Obwohl wir eine französisch-luxemburgische Regierungskommission haben, wird dort das Thema nicht angesprochen." Auf lokaler Ebene seien ihm die Hände gebunden, und so entgehe den betroffenen Grenzgemeinden Geld, das sie gut gebrauchten könnten.

Ähnlich sieht die Lage im Saarland aus. Zwischen Deutschland und Luxemburg existiert kein Ausgleichsfonds. Das Saarland weise immer wieder in Berlin auf die Besonderheiten des Pendler-Verkehrs hin, heißt es. Die Entscheidungsbefugnisse liegen aber auf Bundesebene. Das Saarland kann keinen Ausgleichsfonds mit einem Staat einrichten. Nach Artikel 14 des deutschen Doppelbesteuerungsabkommens mit Luxemburg werden Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit in dem Staat besteuert, in dem gearbeitet wird. "Diese Regelung entspricht der international üblichen Aufteilung der Besteuerung von Vergütungen an Arbeitnehmer , die grenzüberschreitend tätig sind. Eine Vereinbarung von gegenseitigen Ausgleichszahlungen ist daher nicht erforderlich", sagt Frank Paul Weber vom Bundesfinanzministerium.

Meinung:
Gerechter Ausgleich

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die Regelung zwischen Luxemburg und Belgien ist vorbildlich, weil gerecht. Schließlich beanspruchen Arbeitnehmer Leistungen der öffentlichen Hand vor allem dort, wo sie wohnen. Es ist daher nicht einzusehen, warum die Bundesregierung nichts unternimmt, um entsprechende Ausgleichsfonds einzurichten. Die saarländische Landesregierung tut gut daran, immer wieder auf Verhandlungen zu drängen. Und wenn das zu keinem Ergebnis führt, gäbe es noch eine andere Lösung: Bei die Besteuerung der Grenzgänger benachteiligte Bundesländer könnten einen Ausgleich bei der Verteilung der Steuereinnahmen erhalten.

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