Linke sucht Partner zum Regieren

Berlin · Die Linkspartei mag unter dem Mangel potenzieller politischer Verbündeter leiden. An demonstrativem Selbstbewusstsein gebricht es ihr dagegen nicht. Fraktionschef Gregor Gysi sowie die beiden Vorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger kamen gestern eigens in die Bundes pressekonferenz, um ein gemeinsames Positionspapier vorzustellen.

Darin empfiehlt sich die Partei als "links von der Sozialdemokratie angesiedelter möglicher Teil einer Reformregierung". Immerhin habe man sich einen "festen Platz" im demokratischen Spektrum der Bundesrepublik erarbeitet, erklärte Gysi. Nun gehe es um die "richtige Mischung von Protest und Gestaltung" .

In dem Papier ist davon allerdings wenig zu erkennen. Das allermeiste klingt stark vertraut. Von "Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums" ist die Rede, von der Einführung der Vermögensteuer, einer erhöhten Erbschaftsteuer und dem Ersetzen des Hartz-IV-Systems durch eine "armutsfeste sanktionsfreie Mindestsicherung". Alter Wein in neuen Schläuchen sozusagen. Gefragt, wie die Partei das alles durchsetzen wolle, räumte Gysi ein, man müsse als Koalitionspartner Kompromisse machen. "Wenn man regiert, kriegt man auch immer Dresche", witzelte der Fraktionschef.

Im Osten hat Gysis Truppe damit schon leidvolle Erfahrungen gemacht. Als man noch in der Berliner Landesregierung saß und ein sattes Sparprogramm mittrug, fühlten sich große Teile der eigenen Anhängerschaft bitter getäuscht. In Brandenburg , dem inzwischen einzigen rot-rot regierten Bundesland, fordert die Linke zwar tapfer den Ausstieg aus der Braunkohleförderung bis zum Jahr 2040. Doch die SPD hat andere Pläne, und nichts spricht dafür, dass das Regierungsbündnis zerbrechen könnte. Die Zeichen stehen vielmehr auf eine gedeihliche Fortsetzung. Mitte September wird in Brandenburg neu gewählt. Genauso wie in Thüringen, wo sich die Partei den größten Coup in ihrer bisherigen Geschichte erhofft. Ihr Spitzenkandidat Bodo Ramelow hat gute Chancen, zum ersten Linken-Ministerpräsidenten aufzusteigen. Die Revolution wird deshalb aber nicht ausbrechen in Erfurt. Denn Ramelow genießt den Ruf, sozialdemokratischer als viele Sozialdemokraten zu sein.

Im Bund dagegen vermochte auch Gysi gestern keine Wechselstimmung zu entdecken. Deshalb müsse seine Partei der "Motor" dafür sein. Als Haupthindernis für ein ersehntes Bündnis mit SPD und Grünen sah er allerdings nicht etwa die Außenpolitik, sondern die sozialen Vorstellungen seiner Partei. Das mutet seltsam an, wenn man bedenkt, dass SPD und Grüne noch im Wahlkampf ebenfalls eine große Gerechtigkeitslücke beklagt hatten und die Sozialdemokraten inzwischen stolz auf Mindestlohn und abschlagsfreie Rente mit 63 sind.

In der Außenpolitik dagegen gibt es grundlegende Verwerfungen zwischen den drei Parteien - angefangen von der Haltung zur Ukraine und dem politischen Verhältnis zu Moskau bis zur aktuellen Debatte über Rüstungsexporte an die Kurden. Hier war übrigens Gysi ganz in Wechselstimmung - bei seiner Meinung. Zunächst hatte er für deutsche Waffenlieferungen in den Nordirak plädiert, aber sich nach heftiger Gegenwehr in der Partei gleich wieder revidiert. Neue "Informationen" hätten ihn dazu veranlasst, sagte Gysi gestern zu Begründung. Welcher Art sie waren, ließ er im Dunkeln.

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