Liebesträume aus Schweden

Berlin/Sulzbach · Ihr Geschäft ist die große Liebe: Keine hat sie häufiger fürs deutsche Fernsehen beschrieben als Christiane Sadlo alias Inga Lindström. Die erfolgreichste deutsche Drehbuchautorin geht mit ihrer Branche aber auch hart ins Gericht: ARD und ZDF wagten zu wenig. Am 27. Februar ist Sadlo in Sulzbach zu Gast.

 Schweden zum Verlieben: Szene aus dem TV-Film „Die Kinder meiner Schwester“ aus der ZDF-Reihe „Inga Lindström“ mit Tijan Fischer Islas, Joscha Kiefer und Paula Schramm (von links). Foto: Marco Meenen/ZDF

Schweden zum Verlieben: Szene aus dem TV-Film „Die Kinder meiner Schwester“ aus der ZDF-Reihe „Inga Lindström“ mit Tijan Fischer Islas, Joscha Kiefer und Paula Schramm (von links). Foto: Marco Meenen/ZDF

Foto: Marco Meenen/ZDF

Sonntag, 20.15 Uhr: Fernseh-Deutschland muss sich entscheiden - zwischen Mord und Totschlag oder der großen Liebe . "Tatort" oder "Herzkino"? Oft siegt das Verbrechen. Sechs, auch mal acht Millionen aber geben sich der Leidenschaft hin, die das Zweite dann so gewiss in 90 Minuten zum Höhepunkt bringt, wie Claus Kleber im Anschluss "Gutttten Abend" sagt. Vorwiegend "Mütter und Töchter und beste Freundinnen" versammeln sich zu den Bildschirmromanzen, sagt Inga Lindström. Sie muss es wissen. Beschert sie dem ZDF doch ensuite Gefühlskino mit Topquoten. Im Schnitt fünf Mal pro Jahr. Seit 2003 summieren sich so fast 60 Anderthalbstünder mit schönen Menschen vor lieblicher Schwedenlandschaft, einer Art Fernseh-Arkadien. Mit Frauen und Männern, die nach diversen Verwicklungen zueinander finden. Einfach schön. Zu schön, um auch nur halbwegs wahr zu sein, mosern Kritiker.

Eines der Kuriosa der deutschen Fernsehunterhaltung dabei ist: Das Schwedenbild von Millionen Deutschen wird von einer in Berlin lebenden Oberschwäbin (aus Ravensburg) bestimmt. Zwar macht sie in Svenska gern mal Urlaub, ihre Schärenliebeleien aber ersinnt sie in einer Dachkammer in Berlin-Mitte. Unten steppt der Kiez, oben führt sie Selma Magnus in die Arme. Wobei das Romantisieren offenbar Laune macht: Telefoniert man mit der Autorin, lacht sie oft und herzlich. Von neun bis 15 Uhr wird wochentags geschrieben, lässt sich die Frau, die Inga Lindström ist, tatsächlich aber Christiane Sadlo heißt, in ihre Mansarde blicken.

Inga Lindström, dies Pseudonym dachte sie sich vor über einem Dutzend Jahren aus. Die damals längst arrivierte TV-Autorin ("Schloss Hohenstein ", "Liebe , Lüge, Leidenschaften ", "Familie Dr. Kleist" und auch Bearbeitungen von Rosamunde-Pilcher-Romanen gehen auf ihr Konto) wollte quasi inkognito, "ohne, dass ein Fernsehredakteur reinredet", mal einen Roman schreiben. In Schweden sollte er spielen. "Weil ich mit Astrid Lindgrens Büchern aufgewachsen bin,und es für mich tatsächlich ein Land ist, wo ich frei nach Tucholsky die Seele baumeln lassen kann." Dann aber habe sich ihr Mann, der Bildhauer Karl Halt Trossbach, "einem Fernsehredakteur gegenüber verplappert". Prompt klingelte tags darauf das Telefon. Aus der Prosa wurde doch wieder ein Drehbuch - und "Inga Lindström" eine der erfolgreichsten deutschen TV-Reihen.

Mittlerweile prägt Sadlo, eine studierte Geisteswissenschaftlerin (Germanistik, Anglistik und Jura) und frühere Theaterdramaturgin (Freiburger Theater), die Fernsehunterhaltung von Flensburg bis Garmisch wie vor ihr bloß Herbert Reinecker , der geistige Vater des "Kommissar" und von "Derrick".

Und nur mal zum Vergleich: Bei ihren Lindström-Episoden schalten mindestens doppelt so viele Menschen ein wie bei Angela Merkels Neujahrsansprache. Reizt es da nicht mal, die Smörrebröd-Amouren politisch zu würzen? "Das passt nicht zu Inga Lindström", entgegnet Sadlo, wie die Kanzlerin Jahrgang 1954. "Ich denke, dass solche Fluchten in eine heile Welt auch möglich sein müssen, ohne sie mit anderem zu befrachten." Vielleicht sei ja die Heile-Welt-Sehnsucht heute sogar stärker denn je: "In unserer Zeit scheint alles möglich, und weil sich letztlich doch für viele nur wenig davon erfüllt, sind viele so frustriert."

Darum bleibt Sadlo auf ihrer Mission für die Liebe . Auch in ihren Romanen, die sie mittlerweile unter Klarnamen geschrieben hat. Wenn Kritiker das, was sie verfasst, Kitsch schelten, ficht sie das wenig an. "Klar ist das Unterhaltung, aber ich bin eine Schreiberin, keine Künstlerin", pariert sie, "und ich schreibe nicht für die Schublade, ich will Resonanz."

Sicher sei sie "privilegiert", meint Sadlo, fragt man sie nach dem Einkommen einer TV-Dauerschreiberin. Dennoch rät sie jedem ab, in das Geschäft einzusteigen. "Viel Konkurrenz, wenig Mut bei den Machern", fasst Sadlo die Situation hierzulande zusammen. Ihre Exposés für die Sender seien oft deutlich frecher, aber das würde dann regelmäßig von TV-Verantwortlichen zuechtgestutzt. Selbst eine Christiane Sadlo muss sich das gefallen lassen. "Das Schubladen-Denken" in deutschen Fernsehredaktionen sei extrem ausgeprägt. "Einen ,Tatort' nähme man mir nie ab, weil ich halt die Lindström bin."

Hiesige Fernsehmacher starrten wie das Kaninchen auf die Schlange namens Internet: Man fürchtet Zuschauerverluste. Und wagt darum gar nichts mehr. "Dabei haben gerade die Öffentlich-Rechtlichen dazu einen Auftrag, die müssen nicht immer auf die Quote gucken", sagt sie. "Alle reden von den tollen Serien aus USA und Dänemark, und was macht das ZDF ? Das startet dieses Jahr mit einer Reihe über eine Hebamme in den Bergen (,Lena Lorenz - Willkommen im Leben')", wettert Sadlo und wird energisch: "Damit gewinnt man keine neuen Zuschauer."

Erstaunlich scharfe Worte. Schließlich ist sie als Inga Lindström nicht nur Stütze, sondern eine tragende Säule eben dieses Systems. "Ich stehe ja auch dazu, Inga Lindström, das ist ja mein Baby", antwortet sie, "aber das heißt nicht, dass die Öffentlich-Rechtlichen nicht mal was riskieren könnten."

Doch wovon träumt eigentlich die Frau, die anderen ständig ihre Fernsehträume erfüllt? "Von George Clooney in einem Inga-Lindström-Film", antwortet sie doch tatsächlich. Man(n) will es sich kaum vorstellen.

 Christiane Sadlo Foto: M. Bothor

Christiane Sadlo Foto: M. Bothor

Foto: M. Bothor

Zum Thema:

Auf einen Blick Christiane Sadlo liest am 27. Februar, 19 Uhr, im Sulzbacher Salzbrunnenhaus aus ihrem Roman "Das Jahr der Kraniche". Karten unter Tel. (0 68 97) 50 84 00. Vom 28. bis 31. Mai finden in Sulzbach die "Deutschen Liebesromantage" der Autorenvereinigung DeLiA statt, die die saarländische Autorin Deana Zinßmeister organisiert. Auch dann wird Sadlo in Sulzbach zu Gast sein. red

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