Neue Ministerriege Warum die Verjüngung im Team Merkel so wichtig ist

Die neue Regierung ist nicht noch weiblicher geworden, dieses Versprechen hat Angela Merkel nicht halten können. Weiterhin sind sieben der 16 Kabinettsmitglieder Frauen. Aber das ist immerhin fast die Hälfe. Kein Grund zu klagen. Nicht in einem Land, das seit zwölf Jahren von einer Kanzlerin geführt wird, und das ein hohes Niveau der Gleichstellung der Frauen in Politik und Gesellschaft erreicht hat. In den Führungsetagen der Wirtschaft sieht das freilich immer noch anders aus. Und ebenso in denen der CSU, die es tatsächlich gewagt hat, erneut ausschließlich Männer als Minister zu benennen.

ÜS
Foto: SZ/Roby Lorenz

Einen richtigen Sprung gibt es beim Alter der Kabinettsmitglieder, von zuletzt 59 Jahren im Durchschnitt auf 51 Jahre. Das ist eine ganz andere Erfahrungsgeneration. Nicht mehr geprägt von den Auseinandersetzungen um die Revolte der 68er oder den Erfahrungen des Kalten Krieges. Die künftig regieren, haben den größeren Teil ihres Lebens nach der Wiedervereinigung verbracht, in Zeiten der Globalisierung und rasanten Technisierung. Die ganz jungen neuen Minister wie Jens Spahn (37) oder Franziska Giffey (39) waren sogar noch Kinder, als die DDR aufhörte zu existieren und die ersten PCs in die Büros kamen. Sie sind mit ganz anderen Realitäten aufgewachsen als etwa ein Horst Seehofer (68) oder Olaf Scholz (59).

Das wird sich in Politik niederschlagen, denn Politik wird von Menschen gemacht, die von ihren Erfahrungen geprägt sind. Wie, das lässt sich noch nicht genau sagen. Inhaltlich ist das meiste durch den Koalitionsvertrag vorgeprägt, aber vielleicht sorgt der neue Altersdurchschnitt ja für etwas kritischere Debatten über eine Rentenpolitik, die zu Lasten der jüngeren Generation geht. Für mehr Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Für eine realistischere Integrationspolitik. Für größere Bildungsanstrengungen.

Ganz sicher kann man erwarten, dass die Jungen einen neuen Stil prägen. Weniger Zampano, mehr Teamarbeit. Mehr Kommunikation auch mit dem Volk und größere Offenheit gegenüber den sachlichen Argumenten der anderen. Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus. Es ist die Aufgabe der Kanzlerin und ihres neuen Kanzleramtschefs Helge Braun, die Arbeitsweisen in der Regierung so zu verändern, dass dieser neue Stil sich entfalten und auch nach außen sichtbar gemacht werden kann.

Auch Angela Merkel selbst, neben Peter Altmaier und Ursula von der Leyen die einzige langjährige Konstante im Kabinett, hat bezüglich ihrer Kommunikationskultur Nachholbedarf. Sie hat ihren Kurs in der Flüchtlingsfrage nicht erklärt, jedenfalls nicht denen, die sich damit schwer tun. Sie ist Konfliktthemen ausgewichen und hat die Wahlkämpfe regelrecht entpolitisiert. Sie hat sich als einzigen Gast in Talkrunden einladen lassen und offenbar geglaubt, man könne mit gesteuerten „Dialogveranstaltungen“ zum „guten Leben“ erfahren, was die Menschen denken und leben. Auch sie muss ihren Stil verändern. Sonst sieht sie im neuen Kabinett sehr schnell alt aus.

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