Das falsche Zögern der Union Warum Konservative die „Ehe für alle“ wollen müssten

Dass auch Homosexuelle eine staatliche Ehe eingehen können, war lange eine Forderung der Linken. Dabei war das Institut bei ihr sonst nicht hoch angesehen. Ein Widerspruch, den Konservative aufgreifen sollten, statt sich gegen die Ehe für alle zu sperren.

Die Ehe schien lange eher ein Auslaufmodell. Die Zahl der Trauungen nahm über die Jahrzehnte ab. Auch rechtlich hat sich die Sonderstellung der Ehe relativiert – etwa durch die Stärkung der Rechte nichtehelicher Eltern und die Einschränkungen beim Unterhalt nach einer Scheidung. Da ist es bemerkenswert, dass Lesben und Schwule so vehement um das Recht kämpfen, dieses Bündnis eingehen zu können. Zumal die eingetragene Partnerschaft, die ihnen offensteht, inzwischen der Ehe fast völlig gleichgestellt wurde, sieht man vom Adoptionsrecht ab.

Aber natürlich ging es beim Streit um die staatliche Ehe immer auch um einen Namen, ein Symbol, um die Macht der Sprache. Es galt, die rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung von Homosexuellen, die in Deutschland viel zu lange auf sich warten ließ, in den Köpfen zu verankern. Was gleichwertig ist, soll auch gleich heißen. Man kann den Lesben und Schwulen nur gratulieren, dass das künftig so sein wird. Das ist gut so!

Gratulieren müsste man auch der Union, diesen Schritt zumindest nicht mehr zu blockieren, nachdem sich Deutschland mittlerweile auf einem westeuropäischen Sonderweg befand. Doch in Wahrheit haben CDU und CSU bei diesem Thema eine Chance verpasst. Die Fragen, die aus ihren Reihen gestellt wurden, waren ja so falsch nicht. Die von Annegret Kramp-Karrenbauer etwa, die vor einer Aufweichung des Ehebegriffs warnte, der auch zu einer staatlich abgesegneten Vielehe (sie wird wohl die islamische gemeint haben) führen könnte. Nur hätte aus diesen Bedenken ein offensiver Umgang mit dem Thema folgen müssen – an dessen Ende hätte eine Klarstellung im Grundgesetz stehen können, etwa, dass eine Ehe die dauerhafter Verbindung zweier Erwachsener ist. Diese Chance ist erstmal vertan, es sei denn das Bundesverfassungsgericht kommt mal wieder ins Spiel.

Hält nicht die Union Ehe und Familie hoch, weil sie skeptisch gegenüber dem umsorgenden Staat ist und die „Subsidiarität“, die Verantwortung kleiner gesellschaftlicher Einheiten, betont? Wer so denkt, müsste das Bestreben der Schwulen beklatschen, das bürgerliche Lebensmodell der dauerhaften, öffentlich bekundeten Zweierpartnerschaft zu wählen. Er müsste Seite an Seite mit ihnen dafür werben, dass diese unter dem „besonderen Schutz“ des Staates bleibt – selbst wenn keine Kinder zu versorgen sind. Am Ende müssten sich dann nämlich jene Parteien fragen, die jetzt die „Ehe für alle“ durchgesetzt haben, warum sie auf der anderen Seite an deren Stellung kratzen – indem sie die Ehe nicht als das behandeln, was sie ist: Eine Verantwortungsgemeinschaft, die den Staat massiv entlastet, weil sie Lebensrisiken absichert und gemeinsam wirtschaftet. Und die daher auch als wirtschaftliche Einheit verstanden und behandelt werden muss – auch steuerlich. Dies ist der Kern des Ehegattensplittings, das SPD und Grüne angreifen.

Die Ehe zu stärken, stärkt den Staat, ob sich Heteros oder Schwule zusammentun. Das ist modern – und im besten Sinne konservativ.

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