Dienstpflicht für Flüchtlinge Kritik an Kramp-Karrenbauers skurriler Idee ist berechtigt

Es ist schon skurril, wie sehr die Union von der Flüchtlingsthematik getrieben wird. Endlich ist mal nach Wochen der scharfen internen Auseinandersetzung etwas Ruhe in die Debatte gekommen, endlich wird in der großen Koalition wieder über die drängenden Probleme bei Rente, Arbeitsmarkt und Wohnungsbau beraten, schon haben sie in der CDU offenbar Entzugserscheinungen und werden nervös.

Kramp-Karrenbauer stößt mit Dienstpflicht für Flüchtlinge auf Widerstand
Foto: SZ/Robby Lorenz

Also holt Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer die nächste Idee aus der Kiste – eine Dienstpflicht für Flüchtlinge. Für Humanität soll also auch ein Preis verlangt werden. Getreu dem alten Gerhard-Schröder-Prinzip: fördern und fordern. Prinzipiell ist ein solcher Ansatz nie verkehrt. Nur ist Kramp-Karrenbauers Vorschlag so unausgegoren, dass der Vorwurf des Populismus seitens der Opposition gerechtfertigt ist.

Freiwillig oder verpflichtend sollen Flüchtlinge ein Jahr ihren Dienst an der Gesellschaft leisten. Ja, was denn nun, mit oder ohne Zwang? Soll jeder Flüchtling herangezogen werden – oder nur die mit guter Bleibeperspektive? Macht ein solches Engagement überhaupt Sinn, wenn Asylsuchende nicht einmal Deutsch sprechen können? An welche gesellschaftlichen Bereiche denkt die CDU-Frau eigentlich? Pflege, Kindergarten, Straßenreinigung? Wenn dem so wäre, hätte dies etwas von einer Suche nach neuen billigen Arbeitskräften, von denen viele übrigens ungelernt sind. Darüber hinaus: Wie steht es dann um die Entlohnung der Betroffenen, und können sie sich in der Folge mehr Hoffnung machen, bleiben zu dürfen? Nein, die Idee wirft viel mehr Fragen auf, als dass sie Antworten oder Lösungen für eine bessere Integration böte.

Der Rechtsstaat nimmt es im Umgang mit Asylbewerbern stets sehr genau. Gefährder müssen zurückgeholt werden, wenn es einen Verfahrensfehler gegeben hat. Bereits gut integrierte Flüchtlinge mit Arbeits- oder Ausbildungsplatz können sich nicht unbedingt sicher sein, dass sie im Land bleiben dürfen. Weil das so ist, kann man eine wie immer geartete Dienstpflicht, die auch in die Persönlichkeitsrechte eines Flüchtlings stark eingreift, nicht einfach aus der Hüfte schießen. Auch wenn der Vorschlag lediglich ein Baustein in der von der CDU angestoßenen Debatte über die Einführung einer Dienstpflicht in Deutschland generell ist, gewinnt man damit als Union keine AfD-Wähler zurück. Die Chance auf Realisierung ist ohnehin sehr gering, denn die SPD winkt bereits ab.

Die Union sollte sich lieber sinnvoller orientieren. So will das Kabinett bis Jahresende endlich den Entwurf für ein Einwanderungsgesetz beschließen. Es ist dringend notwendig, damit der Fachkräftemangel nicht zur Wachstumsbremse wird. Deutschland braucht aber nicht nur Ärzte und Ingenieure, sondern auch Krankenschwestern, Pfleger und Menschen, die einfachen Tätigkeiten zum Beispiel auf dem Bau nachkommen. Deswegen muss es denen, die bereits hier sind, leichter gemacht werden, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Das wäre eine bessere Integrationsmaßnahme.

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