Endlich CSU-Chef Söders neue Sanftmut wird bald getestet werden

Dem Sieger steht Milde und Großzügigkeit immer gut an. So hält es auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder, der sich seit vergangenen Sonntag zu Recht „designierter CSU-Vorsitzender“ nennen kann.

 Ralf Müller

Ralf Müller

Foto: SZ/Müller

Gleich am Montag verkündete er, dass er seinen künftigen Amtsvorgänger Horst Seehofer nicht aus dem Amt des Bundesinnenministers drängen will. Und dass er ein neues, „hoch kooperatives“ Verhältnis mit der Schwesterpartei CDU anstrebt. Der dramatische Zwist um die Migrationspolitik, den die CSU unter Seehofers Führung (und mit Unterstützung Söders) im Sommer angezettelt hatte, sei falsch gewesen, gab Söder mehrfach zu.

Auch mit Europa hat Söder seinen Frieden gemacht. Früher waren von ihm sehr europaskeptische Töne zu vernehmen, jetzt verspricht der künftige Parteichef gar eine „euphorische“ Europapolitik und übt engsten Schulterschluss mit dem CSU-Europapolitiker Nummer eins, Manfred Weber, der – wenn alles gut geht – sich in einem Jahr im Chefsessel der EU-Kommission wiederfinden könnte. Klar, dass sich da kein Parteichef dem Vorwurf aussetzen möchte, dem Kandidaten Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Dutzende Male gebrauchte Söder bei seinem Auftritt vor den Medien am Montag die Vokabeln „stabil“ und „Stabilität“. Der Begriff „Erneuerung“ fiel zwar auch, aber weitaus weniger häufig. Söder ist offensichtlich überzeugt, dass er mit dem Versprechen, stabile Verhältnisse in einer stark verunsicherenden Zeit zu fördern, mehr Zustimmung bekommt als für schneidige Reformpläne. Und mehr Applaus für kooperativen Stil als für Seehofersche Konfrontationspolitik. Aus jedem zweiten Satz, den Söder in München von sich gab, sprach ein „Wir haben verstanden“.

In Berlin dürfte man über einen zum Softie mutierten CSU-Chef erleichtert sein. Probleme und Zoff gibt es da genug, auch ohne dass der Chef einer Regionalpartei noch Öl ins Feuer gießt. Auf der anderen Seite schwebt der Landespolitiker Söder in Gefahr, in Berlin über den Tisch gezogen zu werden. Jedenfalls wähnte sich Seehofer bis heute in der Funktion des Parteichefs für unentbehrlich, weil er als einziger über die nötige Erfahrung verfüge, um sich gegen die bundespolitischen Schwergewichte der anderen Parteien durchzusetzen. Söder war nie in Berlin tätig. Er muss sich den Status eines ernst zu nehmenden Koalitionspartners erst noch erarbeiten. Dass er dabei auf die aktive Hilfe seines Amtsvorgängers zählen kann, darf eher bezweifelt werden.

Die erste Bewährungsprobe für den CSU-Chef Söder ist die Europawahl im Mai. Bis dahin wird zuviel Zeit vergangen sein, um eine eventuelle Schlappe noch auf eine verfehlte Politik des Amtsvorgängers zu schieben. Im Herbst 2019 muss sich Söder erneut der Wahl zum Parteivorsitzenden stellen, und 2020 stehen dann die bayerischen Kommunalwahlen an. Neuwahlen im Bund sind auch nicht ausgeschlossen. Es gibt also genügend Gelegenheiten, um die Marke „Söder“ zu testen und festzustellen, ob er wirklich verstanden hat.

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