Deutsch-türkisches Verhältnis Geld nur gegen Rechtsstaatlichkeit

Auf der Suche nach Zinsen, die höher sind als Null, hat das internationale Kapital in der Türkei willige Abnehmer gefunden. Präsident Erdogan hat mit den Krediten einen Boom produziert, für den er immer wieder gewählt wurde.

Deutsch-türkisches Verhältnis: Geld nur gegen Rechtsstaatlichkeit
Foto: SZ/Roby Lorenz

Etliche Mammut-Projekte sind noch in der Planung, etwa ein Kanal parallel zum Bosporus. Die Aufrüstung und Kriegsführung gegen die Kurden kommen hinzu. Groß, größer, Erdogan. Die Bevölkerung hat sich angewöhnt, auf Pump zu konsumieren, die Zinsen wurden niedrig gehalten. Jetzt platzt die Blase und mit ihr der Nimbus des neuen Sultans der Türken.

Zwar ist richtig, dass Donald Trump den Niedergang mit der Ankündigung von Sanktionen wegen eines festgehaltenen US-Bürgers beschleunigt hat. Doch hätte diese Maßnahme allein nie eine so massive Abwärtsbewegung auslösen können. Die Abwertung der türkischen Lira drückt ein viel tiefer sitzendes Misstrauen der Märkte in die Seriosität der türkischen Finanz- und Wirtschaftspolitik aus. Allerdings liefert Trump Erdogan einen billigen Vorwand, wieder einmal alles auf das Ausland zu schieben.

Soll Europa ausgerechnet diesem Präsidenten helfen, wie Andrea Nahles vorgeschlagen hat? Ausgerechnet Erdogan, der nicht aufhört, den Westen zu beschimpfen und die Menschenrechte mit Füßen zu treten? Die Naivität der SPD-Vorsitzenden verwundert. Und der Alarmismus ihres Vorgängers Sigmar Gabriel, der sogleich davor warnt, das Land könne sich sich atomar bewaffnen, irritiert regelrecht. Was wollen die beiden Politiker erreichen? Blanko-Schecks für Ankara?

Wenn Hilfen, dann nur unter Bedingungen: Geld gegen Rechtsstaatlichkeit und seriöses Wirtschaften. In erster Linie ist hier mangels Zuständigkeit ohnehin nicht Europa gefragt, schon gar nicht Deutschland, sondern der Internationale Währungsfonds. Er hat Erfahrungen mit solchen Hilfsprogrammen. Sicherheit für ausländisches Kapital, aber auch für ausländische Bürger, würde er verlangen. Außerdem die Bekämpfung der Korruption, damit nicht alles an den Fingern des Erdogan-Clans und seiner Vasallen kleben bleibt. Und schließlich: Ein Ende des Lebens auf Pump. Höhere Zinsen für Konsumentenkredite. Dass Erdogan darauf nicht eingehen will, ist verständlich. Nur sollte ihn niemand vorschnell aus seiner Kalamität befreien.

Angelockt von hohen Renditen haben auch einige europäische Banken, vor allem aus Spanien und Italien, in der Türkei Risiken versteckt. Und es gibt noch viel mehr Schwellenländer, die in einer ganz ähnlichen Situation sind: Auf Pump finanzierte Investitionen, ein viel zu schneller Immobilien- und Bauboom, ein Konsumniveau, dem kein nachhaltiger wirtschaftlicher Ertrag gegenübersteht. Das ist eine weitere negative Folge der nun bald zehn Jahre andauernden Politik des billigen Geldes. Die Finanzkrise und damit das Thema Finanzmarktkontrolle könnten früher als erwartet wieder auf der internationalen Politikagenda stehen – nicht nur allein wegen der Türkei.

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