Spannung vor Parteitag Warum die SPD am Sonntag unbedingt Ja sagen sollte

Die rund 600 SPD-Delegierten haben an diesem Sonntag die Wahl, der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union zuzustimmen oder sie abzulehnen. Sie sollten Ja sagen. Nicht nur aus staatspolitischer Verantwortung für dieses Land, das nun schon seit vier Monaten auf eine neue Bundesregierung wartet.

Spannung vor Parteitag: Warum die SPD am Sonntag unbedingt Ja sagen sollte
Foto: SZ/Robby Lorenz

Wer politisch etwas im Sinne der Menschen in diesem Land erreichen will, darf sich jetzt nicht mehr verweigern. Da gilt der alte Satz des Genossen Franz Müntefering: Opposition ist Mist. Nie war er so wahr wie heute. Weder lässt sich in ihr gestalten und verändern, noch ist die Oppositionsrolle im Bundestag ein Garant für die innere Erneuerung einer gesamten Partei. Das beste Beispiel dafür liefert die bayerische SPD. Seit Jahrzehnten hockt sie parlamentarisch auf den Hinterbänken, aber weder ist es ihr über die Jahre gelungen, einen neuen Heilsbringer zu finden, noch die CSU inhaltlich oder gar bei Wahlen in die Bredouille zu bringen. Opposition ist halt Mist. In Bayern und auch in Berlin.

Der Zickzackkurs, den speziell Parteichef Martin Schulz hingelegt hat, wird in ein paar Monaten vergessen sein, wenn dann auch die SPD-Mitglieder Ja zum Ergebnis der Groko-Verhandlungen sagen sollten und das Bündnis endlich damit beginnen kann, Inhalte umzusetzen. Auch und gerade die der SPD, für die die Sozialdemokraten dann viel offensiver und selbstbewusster eintreten müssen. Freilich ohne Schulz am Kabinettstisch. Das Chaos, das der Parteivorsitzende nach der Bundestagswahl angerichtet hat, darf nicht noch mit einem Ministerposten belohnt werden, den er für sich anfänglich ja auch ausgeschlossen hatte. Außerdem: Will er seine darniederliegende Partei tatsächlich reformieren, dann geht das nur, indem er nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist, um sich dieser Aufgabe voll und ganz widmen zu können – und nicht halbherzig.

Chaos ist auch das Stichwort, das hoffentlich viele Delegierte fürchten. Es würde unweigerlich über die SPD hineinbrechen, falls eine Mehrheit das Sondierungsergebnis am Sonntag ablehnt. In der Folge müsste nicht nur Martin Schulz umgehend zurücktreten, sondern eigentlich die gesamte SPD-Führung mit ihm. Denn sie hat dem Ergebnis der Gespräche mit der Union zugestimmt und dafür in den letzten Tagen mehr oder weniger intensiv geworben. Und wer soll die Partei dann übernehmen? Kevin Kühnert, der rebellische Juso-Vorsitzende? Wohl eher nicht. Ein Nein wäre politischer Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

Am Ende stünden dann voraussichtlich auch noch Neuwahlen, die der SPD den Gnadenstoß geben würden. Nein, das können die mit Recht stolzen Sozialdemokraten nicht wollen. Nachbesserungen einzufordern, ist legitim. Das wird Schulz auf dem Parteitag auch anbieten müssen, dafür gibt es schließlich Koalitionsverhandlungen. Da ist auch noch einiges für die SPD herauszuholen. Denn die Union und speziell Kanzlerin Angela Merkel haben ihrerseits ein großes Interesse daran, dass die Groko nach der Jamaika-Pleite zustande kommt. Auch sie fürchten das Chaos. Also sagt Ja, Genossen!

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