Wagenknecht im Tollhaus Die Linke ist sich wieder selbst Opposition genug

Meinung · Zu allem fähig, aber zu nichts zu gebrauchen – diesen Ruf hat sich die Linkspartei in den letzten Tagen und Wochen hart erarbeitet. Wer das jüngste Hauen und Stechen bei ihr verfolgt hat, kann sich nur mit Grausen abwenden. Sicher, auch bei anderen Parteien rappelt es mitunter im Karton. In der SPD zum Beispiel war man in der Vergangenheit nicht gerade zimperlich im Umgang mit dem Führungspersonal. Man erinnere sich nur daran, wie einst Kurt Beck von seiner Berliner Partei-Riege ausgebootet wurde. Und in der CSU sieht sich Parteichef Horst Seehofer derzeit mit zahlreichen Rücktrittsforderungen konfrontiert. Gegen den offenen Hass und die presseöffentlich zur Schau getragene, wechselseitige Verachtung der Partei- und Fraktionsspitzen bei den Linken muten die Begebenheiten in Bayern allerdings wie ein harmloser Heimatfilm an. Ausgerechnet die Linke, der Solidarität und Weltfrieden doch angeblich so viel bedeuten, versinkt regelmäßig in brutalst möglichen Kleinkriegen und Intrigen. Ein Trauerspiel.

Wagenknecht im Tollhaus : Die Linke ist sich wieder selbst Opposition genug
Foto: SZ/Robby Lorenz

Auf ihrer Klausur in Potsdam haben die beiden wiedergewählten Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch den jüngsten Machtkampf zwar weitgehend für sich entschieden. Aber was heißt das schon? Auch ihre Widersacher Katja Kipping und Bernd Riexinger sind Teil dieser Fraktion. Und beide sind die Parteivorsitzenden. Da ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Feindschaften wieder neu aufbrechen. Der von der Wahl-Saarländerin Wagenknecht verfasste Brandbrief mit scharfen Attacken gegen Kipping und Riexinger dürfte große Narben hinterlassen. Umgekehrt wirkte freilich auch das Gezerre um ein „herausragendes Rederecht“ im Bundestag für die beiden Vorsitzenden wie ein Stück aus dem Tollhaus. Wer solche Freunde hat, der braucht keine Feinde mehr.

Dabei müsste die Linke, anstatt sich selbst zu zerfleischen, endlich ihre Richtungsfrage klären. Im Osten ist sie bei der Bundestagswahl regelrecht eingebrochen. Bundesweit hat sie 400 000 Wähler an die AfD verloren. Als Protestpartei haben die Rechtspopulisten der Linken jetzt den Rang abgelaufen. Was bedeutet das für die künftige Ausrichtung? Welche Konsequenzen sind notwendig? Eine neue Kursbestimmung täte bitter Not. Auch in der Flüchtlingsfrage, über die Wagenknecht und ihr Ehemann, der saarländische Fraktionschef Oskar Lafontaine, mit großen Teilen der Partei heillos zerstritten sind. In Potsdam wäre dazu schon Gelegenheit gewesen. Doch das Chaos überlagerte alles. So, als hätte die Linke den Schuss nicht gehört. Und sehr wahrscheinlich wird dieser Schwebezustand noch bis tief ins kommende Jahr andauern. Der nächste ordentliche Parteitag zur Wahl einer neuen Führung findet erst im Juni 2018 statt. Dort könnte die Hütte noch einmal richtig brennen.

Man muss der SPD wirklich dankbar sein, dass sie den Weg der Opposition gewählt hat. Als ernst zu nehmende Stimme fällt die Linke dort bis auf weiteres nämlich aus. Wieder einmal ist sich die Partei selbst Opposition genug.

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