Langzeitarbeitslose bleiben auf der Strecke

Berlin · Die Zahl derer, die länger als ein Jahr ohne Arbeit sind, steigt weiter. Die Grünen werfen Arbeitsministerin Andrea Nahles vor, bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit auf das falsche Pferd zu setzen.

Mit gleich drei großen Vorhaben wollte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD ) die Zahl der Langzeitarbeitslosen deutlich reduzieren. Die Zwischenbilanz nach einem Jahr ist ernüchternd: Der Anteil dieser Personen an allen Arbeitslosen ist sogar leicht gestiegen. Die Grünen werfen Nahles falsche arbeitsmarktpolitische Weichenstellungen vor.

"Chancen eröffnen, soziale Teilhabe sichern" - unter diesem verheißungsvollen Motto hatte die Arbeitsministerin im November 2014 ihr Konzept zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit vorgestellt. Ein Vorhaben bestand in der Einrichtung zusätzlicher "Aktivierungszentren" bei den Jobcentern, um die Betreuung von Langzeitarbeitslosen mit Vermittlungshemmnissen zu verbessern. Ein Sonderprogramm sah vor, in den nächsten Jahren bis zu 33 000 Langzeitarbeitslose ohne Berufsabschluss durch Lohnzuschüsse und spezielle Trainer ("Arbeitnehmercoaching") in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren. Ein weiteres Sonderprogramm sollte 10 000 "besonders arbeitsmarktfernen Langzeitarbeitslosen" eine öffentlich geförderte Beschäftigung verschaffen.

Ein erstes Fazit nach den großen politischen Ankündigungen vor einem Jahr stimmt wenig hoffnungsvoll. Im November 2015 registrierte die Bundesagentur für Arbeit immer noch 1,013 Millionen Arbeitssuchende, die mindestens ein Jahr lang ohne Job waren. Das sind lediglich 2,7 Prozent weniger als im gleichen Monat des Vorjahres. Bedingt durch den stärkeren Rückgang bei der Kurzzeitarbeitslosigkeit ist der Anteil der Langzeitarbeitslosen an allen Erwerbslosen in diesem Zeitraum sogar leicht von 38,3 auf 38,5 Prozent gestiegen. Deutlich mehr als jeder dritte Erwerbslose in Deutschland hat also seit mindesten zwölf Monaten keine feste Beschäftigung mehr gehabt, jeder fünfte sogar schon seit mindestens vier Jahren.

Nach Einschätzung der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer , setzt die Arbeitsministerin falsche Akzente, um die Lage in den Griff zu bekommen. "Ab 2016 wird es kein spezielles Programm für ältere Langzeitarbeitslose mehr geben, obwohl sich das gut bewährt hat", kritisierte Pothmer gegenüber unserer Zeitung. Tatsächlich soll das Programm "Perspektive 50plus" in den Aktivierungszentren aufgehen. Damit werden diese Einrichtungen künftig für alle schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen ohne Altersbeschränkung zuständig sein. "Und das mit rund 120 Millionen Euro weniger Geld, denn das fließt in die beiden Sonderprogramme", so Pothmer.

Nach ihren Erkenntnissen hat sich nur das 10 000-Stellen-Programm für besonders schwer vermittelbare Personen bewährt. Deshalb müsse es ausgeweitet und verstetigt werden. Derweil sind laut Arbeitsagentur von den 33 000 Plätzen für die Integration durch Lohnkostenzuschüsse bislang nur 1733 besetzt. Die Ursache sieht Pothmer in der "weitgehenden Wirkungslosigkeit" dieses Instruments.

Tatsächlich sind die Erfahrungen mit Lohnkostenzuschüssen für Langzeitarbeitslose kaum ermutigend. Untersuchungen zufolge kommt es eher zu Mitnahmeeffekten, weil Betriebe einen Langzeitarbeitslosen auch ohne Extra-Förderung beschäftigt hätten. Das allerdings war auch schon vor einem Jahr bekannt, als Nahles ihr Konzept der Öffentlichkeit vorstellte.

Meinung:

Halbheiten bringen nichts

Von SZ-RedakteurLothar Warscheid

Die Bilanz ist ernüchternd. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles kann bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit kaum Erfolge vorweisen. Langzeitarbeitslose mit Lohnkostenzuschüssen wieder in Beschäftigung zu bringen, birgt immer die Gefahr, dass die Arbeitgeber sie nur so lange beschäftigen, wie das Geld fließt. Nahles muss sich endlich ohne Wenn und Aber zu einem öffentlich geförderten Arbeitsmarkt bekennen. Viele Langzeitarbeitslose brauchen als erstes wieder einen geregelten Tagesablauf und eine sinnvolle Beschäftigung. Zu tun gäbe es in den Kommunen oder im sozialen Bereich genug. In diesen öffentlichen Arbeitsmarkt mit regulären sozialversicherungspflichtigen Jobs könnten auch Flüchtlinge integriert werden. Alles andere sind nur Halbheiten, die nichts bringen.

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