Politikum Ruhrtriennale Wie Intendantin Stefanie Carp die Ruhrtriennale neu ausrichtet

Bochum · (dpa) Ehe die Ruhrtriennalle (9. August bis 23. September)  überhaupt beginnt, hat sich die neue Intendantin Stefanie Carp bereits in eine Diskussion um eine Kritik an Israels Politik verstrickt.

Auslöser war Carps irritierender Umgang mit der schottischen Popband „Young Fathers“. Erst lud sie die Gruppe mit Nähe zur BDS-Bewegung, die für einen Boykott Israels eintritt, ein, dann wieder aus, schließlich wieder ein. Am Ende sagte die Gruppe selbst ab. NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) zeigte sich „höchst irritiert“. Carp musste zum Rapport vor den Kulturausschuss des Landtags. Inzwischen sieht sich die 62-Jährige von Fragen verfolgt, die aus ihrer Sicht vom Wichtigsten des Festivals ablenken – der Kunst. Als sie dieser Tage die ersten Produktionen vorstellte, wich sie aus. Sie wolle die Produktionen „nicht mit diesem Nebenschauplatz vermischen“, beschied Carp einem Fragesteller.

Seit 2002 gibt es die Ruhrtriennale. Ihr Intendant stellt jeweils ein Programm für drei Spielzeiten in alten Industrieanlagen zusammen. Unter Jürgen Flimm oder zuletzt Johan Simons hatten auch Klassiker einen festen Platz, etwa eine Wagner-Oper. Carp geht bewusst andere Wege. Die Triennale habe den Auftrag, anderes zu tun als die großen Opernhäuser. „Ich habe hier eine Verpflichtung zum Experimentellen und Neuen“, betont sie. Carp, die an großen Theatern Dramaturgin war, verzichtet weitgehend auf Bekanntes. Die 62-Jährige, die ihre Spielzeiten unter die Überschrift „Zwischenzeiten“ gestellt hat, blickt auf Konflikte, Vertreibung und Migration. Etliche Künstler kommen aus Ländern wie Burkina Faso, Mali oder von den Kapverden. Viele der 33 Produktionen lösen die Grenzen zwischen Konzert, Performance und Installation auf. Das große Thema des Ruhrgebiets 2018, das Ende des Steinkohlebergbaus, ist nur ein Randaspekt.

 Mit der Deutschlandpremiere von „The Head and the Load“ des mehrfachen Documenta-Teilnehmers William Kentridge aus Südafrika startet die Triennale am 9. August. Unlängst in London uraufgeführt, liefert es eine bildgewaltige Großproduktion, die sich mit der Rolle Afrikas im Ersten Weltkrieg auseinandersetzt. Großformatig ist auch die „Musiktheater-Kreation“, die Christoph Marthaler als „Artiste associé“ des Festivals in der Bochumer Jahrhunderthalle in Szene setzt – und zwar erstmals in allen Teilen des weiträumigen Industriedenkmals. Der Produktion „Universe, Incomplete“ liegt ein unvollendetes Werk des US-Komponisten Charles Ives (1874-1954) zugrunde. Weitere Gäste sind die amerikanische Performance-Künstlerin Laurie Anderson und Choreographin Sasha Waltz. Hinaus ins richtige Leben geht Schorsch Kamerun in Dortmund mit der Uraufführung seines Musiktheaters „Nordstadt Phantasien“. Thema ist der Aufstieg des Quartiers vom Problemviertel zum Trendquartier.

Statt des Auftritts der „Young Fathers“ gibt es jetzt am gleichen Tag eine Podiumsdiskussion zum Thema „Freedom of Speech/Freiheit der Künste“, die von Ex-Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) moderiert wird. Aber auch hier gibt es Ärger: Mehrere jüdische Verbände aus NRW warfen Intendantin Stefanie Carp vor, dass die Diskussion ohne Vertreter der jüdischen Gemeinde stattfinden werde, da sie auf einen Samstag, den jüdischen Ruhetag Schabbat, gelegt wurde.

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