Weshalb Mangel besser als Überfluss ist

Saarbrücken · „Ausstellen heißt verkaufen“: ein Slogan, über den viele die Nase rümpfen. Kunst mit Geld in Verbindung zu bringen, gehörte sich lange nicht. Obwohl es genau darum geht, so Sabine Grafs These. In ihrer Studie über Kunstgalerien im Saarland untersucht sie Strukturen der hiesigen Kunstszene und plädiert für effektivere Förderung.

 Vernissage von Jacques Decaux in der damals neuen Homburger Galerie Beck 1971. Foto: Galerie Beck

Vernissage von Jacques Decaux in der damals neuen Homburger Galerie Beck 1971. Foto: Galerie Beck

Foto: Galerie Beck

Die Geschichte der saarländischen Kunst- und Galeristenszene ist bis in die Gegenwart geprägt von Mangel. So lautet Sabine Grafs Grundthese. In der Nachkriegszeit herrschte schlicht Raummangel, um Kunst zu zeigen. Ab den späten 60er Jahren beschreibt Graf einen "Informationsmangel" in Bezug auf die fehlende Repräsentation neuer, zeitgenössischer Kunstströmungen im Saarland, dem mutige und engagierte Kunstliebhaber meist als "Nebenberufsgaleristen" begegneten. In dem sie Galerien eröffneten, die aber mangels Kundschaft bald wieder in der Versenkung verschwanden (z. B. die St. Ingberter Galerie Mathea, die Galerie Weinand-Bessoth oder diverse Künstlergalerien).

Ab 1989 sieht die erfahrene Kunstkritikerin und Kennerin der Szene einen eklatanten "Ideenmangel", wenn es um Förderung der Bildenden Kunst und Existenzsicherung der Künstler geht. Graf hat viel Archivarbeit geleistet, alte Kunstkritiken studiert, mit Galeristen gesprochen. Gelungen ist ihr ein umfassender Überblick über die hiesige Kunstszene. Zudem spart die meinungsstarke Autorin nicht mit Kritik, zeigt aber auch Lösungen auf.

Seit Jahrzehnten würden Künstler als vom Staat durch Ankäufe und Stipendien zu fördernde Sozialfälle gesehen, moniert Graf. Statt die Strukturen im Land für die professionelle Vermarktung von Kunst zu verbessern, fördere man lieber Einzelprojekte. Dabei stelle sich die Frage, wem die bestehenden Maßnahmen zur Kunst- und Künstlerförderung nützen. Dass es keinen funktionierenden Kunstmarkt im Saarland gebe, der Galeristen wie Künstlern ein Auskommen verschaffen könnte, liege nicht nur an der mangelnden Tradition des Kunsterwerbs und der im Vergleich geringen Kaufkraft im Saarland. Graf stellt die provokante These auf, dass gerade die Vielzahl an öffentlichen Ausstellungsmöglichkeiten privaten Galerien das Überleben erschwere. "Daher sollte auch darüber diskutiert werden, ob das Land die öffentlichen Museen und Galerien in Neunkirchen, Saarlouis oder Merzig überhaupt braucht, was Programm und Zuspruch des Publikums betrifft, oder ob das dafür aufgewendete Geld effektiver für Kunst und Künstler im Land eingesetzt werden kann."

Dass es freilich die Künstler selbst sind, die immer neue Ausstellungsorte fordern, kritisiert Graf. Sie hält dies für geschäftsschädigend, plädiert eher für Mangel statt Überfluss, um Angebot und Nachfrage auf dem Kunstmarkt ins Gleichgewicht zu bringen. Weil gute Kunst bezahlt sein will, fordert Graf in diesem Kontext prinzipiell ein Honorar für ausstellende Künstler, die allzu oft weder etwas verkaufen noch für ihre Arbeit entlohnt werden.

"Ausstellen und Verkaufen gehören zusammen. Dafür müssen Bedingungen geschaffen werden", resümiert Sabine Graf. Künstler seien keine "freundlichen Spinner", Galeristen nicht nur "Kunstliebhaber", sondern auch Geschäftsleute. Wer über Kunst rede, rede über Geld.

Graf nennt in ihrem Buch nur fünf Galerien, die sich bis heute auf dem saarländischen Kunstmarkt behaupten: Elitzer und Neuheisel (beide Saarbrücken), Beck (Homburg), Palz (Saarlouis) und als Newcomer Zimmerling & Jungfleisch (Saarbrücken). Wer ihr Buch liest, wird erstaunt sein, wie viele Galerien mit spannenden Programmen und Künstlern seit 1945 eröffneten, um schon nach wenigen Jahren wieder zu schließen. Von einem Mangel an Kunstbegeisterung im Saarland kann also nicht die Rede sein.

 Journalist Paul Bertemes, Künstlerin Monika von Boch und Galeristin Gisela Koch 1986. Foto: Galeria K & K

Journalist Paul Bertemes, Künstlerin Monika von Boch und Galeristin Gisela Koch 1986. Foto: Galeria K & K

Foto: Galeria K & K

Sabine Graf: Mangelerschei nungen. Private Kunstgalerien im Saarland seit 1945. Conte, 333 Seiten, 19,90 €.

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