Ausstellung „In the cut“ Wenn Frauen malen, wie Männer sind

Saarbrücken · „In the cut – Der männliche Körper in der feministischen Kunst“ in der Saarbrücker Stadtgalerie liefert Gesprächsstoff. Die SZ-RedakteurInnen Esther Brenner und Oliver Schwambach haben sich die Schau gemeinsam angesehen – und schreiben aus weiblicher und männlicher Sicht.

Ausstellung „In the cut“: Wenn Frauen malen, wie Männer sind
Foto: SZ/Robby Lorenz

Keine Frage, die Schau in der Saarbrücker Stadtgalerie macht was mit einem, ist keine wie andere. Mann fühlt sich herausgefordert, wird mit anderen Wahrheiten konfrontiert. Was aber macht diese Kunst nun so feministisch? Mir kommen etwa Joan Semmels „Sex-Paintings“ konventionell vor, diverse Stellungswechsel mit expressiver Kraft hingeworfen. Sinnlich keine Frage; das aber dürften Frau wie Mann wohl kaum unterschiedlich fühlen? Sicher aber ist es auch die Zeit, die Kunst politisch macht. In den 1970ern war es eben nicht normal, kaum akzeptiert, dass Frauen so ihre Sicht auf Sex ausstellten, Selbstbewusstsein demonstrierten. Reichlich eine Generation ist das her. Heute, im YouPorn-Jahrzehnt, wo jede (Un-)Art der Pornographie via Internet allzeit lockt, liegen Reizpunkte woanders. Trotzdem: Erzählt man, dass man in dieser Ausstellung war, noch dazu mit einer Kollegin, kommen tatsächlich solche Bemerkungen: „Da wollte ich eigentlich auch mit meiner Frau rein.“ Und dann gar nicht so spöttelnd: „Aber ich fürchte den Vergleich.“ Können Männer sich anderer Männer Körper wirklich nicht ohne Konkurrenzdruck ansehen? Regredieren sie sofort wieder zu Jungs in der Schwimmbad-Sammelumkleide?

Für die dürfte Alicia Framis Videoarbeit „8 de Junio...“ von 2006 Tabuzone sein. Die in Barcelona geborene Künstlerin lässt Männer über den Laufsteg paradieren, mit nichts bekleidet außer Handtaschen. Alles dank Bodybuilding und vielleicht auch chirurgischer Nachhilfe perfekt modellierte Götter. Bei denen sich Jeder-Mann schamvoll seiner Falten, Speckwülste und weiterer Unzulänglichkeiten erinnert. Fühlen Frauen sich so, müssen sie auf jeder zweiten Plakatwand, in jedem dritten TV-Spot sehen, dass mit idealisierter nackter Weiblichkeit vom Duschgel bis zum Auto einfach alles erkauft werden soll? Herr-lich ironisch hat Framis das wider die gängig-männliche Sicht gewendet, mehr als ein Denkanstoß.

Andererseits ist die Ausstellung auch eine Feier der Normalität, ein Fest des Prima-Vista-Gar-Nicht-So-Schönen. Wie die Berliner Fotografin Paula Winkler das in ihrer Serie „Exceptional Encounters“ (2011 bis 2014) tut. Von einer Sexplattform holte sie sich Alltagsmänner, setzte sie in Szene. Jüngere, Ältere, Poser und Objektiv-Scheue, jeder aber ein Typ, der den Betrachter aber auch mit sich selbst versöhnt.

Wo aber nun scheidet sich denn der Blick, männlich, weiblich? Anke Doberauers porentief perfekt und härchenfein gemalte Porträts finden wir beide grandios. „Schon geil“ entfährt es der Kollegin bei „Djamel“, einem lebensgroßen Latin Lover mit offener Hose. Mir ist er dann doch zu drastisch. „Leo“, auch ein Geschöpf der Münchner Malerei-Professorin, interessiert mich mehr. Ein Dunkelhaariger, dessen Brusthaar stolz aus dem Ausschnitt eines Brautkleids quillt, dessen Männlichkeit im femininsten aller Kleider nur noch reizvoller wird. Zeigt sich da die charakteristisch weibliche Sicht wie der Ausstellungstext behauptet? Oder evoziert Doberauer nur gekonnt menschliches Begehren?

„In the cut“: Saarbrücker Stadtgalerie, bis 30. September. Während des Altstadtfestes, von Freitag, 15. Juni, 16 Uhr, bis Sonntag, 17. Juni, bleibt die Stadtgalerie geschlossen.

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