Was Büromenschen brauchen

Saarbrücken · Das freie Theaterkollektiv um SST-Schauspielerin Nina Schopka hat seine Ideen vorgestellt.

 Auf Augenhöhe sein, wollen sie – sowohl untereinander als auch mit uns, ihrem künftigen Publikum: Das Korso.op-Kollektiv (v.l.) mit Eva Behr und Nina Schopka sowie Gregor Wickert und Grigory Shklyar. Foto: Rolf Ruppenthal

Auf Augenhöhe sein, wollen sie – sowohl untereinander als auch mit uns, ihrem künftigen Publikum: Das Korso.op-Kollektiv (v.l.) mit Eva Behr und Nina Schopka sowie Gregor Wickert und Grigory Shklyar. Foto: Rolf Ruppenthal

Foto: Rolf Ruppenthal

Dass Kulturminister Ulrich Commerçon gestern mit auf dem gut durchgesessenen Sofa saß, gleich neben Nina Schopka, musste was bedeuten. Geld? Geld! Wobei Commerçon dann gleich klarmachte, dass das vierköpfige Theaterkollektiv um die langjährige SST-Schauspielerin Schopka, die im Sommer den Repertoirebetrieb Staatstheater zugunsten unabhängiger Theaterarbeit aufgeben wird, "damals gar kein Geld wollte". Im letzten Herbst, als die Vier ihm im Ministerium ihre Aufwartung machten. Vielleicht dachten sie sich auch einfach, dass ihr Projekt förderungswürdig ist. Ist es. Was die Truppe plant, klingt ambitioniert, schlüssig und erfrischend.

Gestern also hat das "Korso-op. Kollektiv" - so nennt sich das aus Schopka, ihrem Mann Gregor Wickert (freier Bühnenbildner), Grigory Shklyar (SST-Regieassistent) und Eva Behr (zuletzt Dramaturgin für diverse Musikproduktionen an der Saarbrücker HfM) bestehende Quartett - in einer improvisierten Pressekonferenz seine Ideen umrissen. In einem leerstehenden Gebäude gleich neben der Sparte 4, was (vielleicht unfreiwillig) durchaus gewissen Symbolcharakter hatte. Begreift das neue Kollektiv sein Tun doch gezielt auch als Ausbruch aus den streng hierarchisch getakteten Produktionsbedingungen klassischer staatlicher Theater wie dem SST. Denn so, wie die vier Korsianer diesen Ausbruch aus etablierten Strukturen angehen, könnte das eben auch die als Experimentierbühne des SST angetretene Sparte 4 nicht umsetzen. Sprich ein Stück gemeinschaftlich über Monate zu entwickeln und dabei sowohl neue Spielstätten als auch neue Formen der Theater- und Kunstvermittlung zu erproben.

"Ja, wir wollen neue Wege beschreiten", meinte Schopka gestern selbstbewusst. Als schnelle Eingreiftruppe darf man sich das Kollektiv indes nicht denken: Eine Produktion pro Jahr, das klingt nicht nach einem Resonanzraum für aktuelle Zeiterscheinungen.

Auf drei Jahre ist das Projekt konzipiert. Jedes Jahr wird ein Theaterabend entstehen, der als ensuite-Produktion dann 15 Tage lang in Saarbrücken zu sehen sein soll. "Was macht Menschsein aus?" lautet das Leitthema der Trilogie, deren erster Teil das Verhältnis Mensch/Technik behandeln wird - sprich Abgründe & Absurditäten der virtuellen Realität, Macht & Manipulation qua Digitalisierung und Wohl & Wehe der Künstlichen Intelligenz (KI). "Leben wir noch oder werden wir heute eher gelebt? - das sind Fragen, die sich für uns in diesen durchökonomisierten Zeiten stellen", umriss Schopka den Korso-Ansatz für Teil 1 der Trilogie, bei dem man das an der Schnittstelle von Kunst, Design und Technik arbeitende "xm:lab" der Saarbrücker Kunsthochschule als Kooperationspartner im Boot hat. In dem HBK-Medienlabor wird produktiv um die Ecke gedacht und Technik kreativ genutzt - insoweit verspricht diese Allianz, gewinnbringend zu werden. Als Spielort sucht das Kollektiv nun ein leerstehendes Bürogebäude. Shklyar machte klar, dass statt eines herkömmlichen Stücks Text-Bild-Collagen geplant sind, die philosophische wie literarische Texte verwebten. Klassische Rezeptionsrahmen will man aufbrechen: Das Publikum solle sich "durch das gesamte Gebäude bewegen" (Wickert). Wobei "kein Mitmachtheater", fädelte Schopka nebenbei ein, zu befürchten sei.

Weil die Vier einen solchen Abend nicht ganz alleine bestreiten können, will man die üblichen Fühler in die Großregion ausstrecken. "Insoweit könnte es auch eine geographische Collage werden", so Eva Behr. Und eine Produktion, bei der "Intellektualität auf Trash trifft", wie Schopka nachschob. Vielleicht könne man am Ende auch auf Gastspieltour gehen und sie adaptieren für ein leerstehendes bundesrepublikanisches (oder großherzögliches) Bürogebäude. Einen Förderantrag bei der Bundeskulturstiftung will man jedenfalls stellen. "Wir müssen ran an den Speck", frotzelte Schopka zur Belustigung des neben ihr sitzenden Ministers.

Das Land, das also war die frohe Botschaft des mutmaßlich alten wie neuen Kulturministers, setzt das "Korso-op-Kollektiv" (das "Op" steht Eva Behr zufolge für "Optik, Opus und Originalverpackung") mit einer Anschubfinanzierung von 50 000 Euro aufs Gleis. Überdies hat der SPD-Mann auch noch 20 000 Euro aus Saartoto-Töpfen für Schopka & Co losgeeist. "Ich hab' politische Einmischung von Künstlern immer schon ganz großartig gefunden", beschied Commerçon, den man als glühenden Verehrer der "Redner" kennt - ein anderes Saarbrücker Künstler-Kollektiv, das einem (wie auch das "Liquid Penguin Ensemble") gestern ein paar Mal in den Sinn kam. Auf je eigene Weise arbeiten sowohl "Die Redner" und "Liquid Penguin" als auch "Korso-op" im Grenzbereich von Realität und Fiktion und collagieren Szenisches mit Dokumentarischem. Aber wie meinte Schopka gestern treffend? "Kultur ist Plural." Gefragt, ob sie das Risiko eines solchen freien Projekts auch ohne ministerielle Rückendeckung eingegangen wären, meinte sie: "Wir hätten es auch ohne die 50 000 gemacht." Doch taugte des Ministers gestern von ihm selbst kolportierte Frage im Herbst 2016 "Braucht Ihr Geld?" am Ende als Handreichung und hilfreiche monetäre Originalverpackung.

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