Die Zukunft der Industriemuseen Sie geben Regionen ein Gesicht

 Völklingen · Ein Vortrag im Völklinger Weltkulturerbe über Industriemuseen im Wandel: Verzicht auf Exklusivität als Erfolgsrezept.

 Mitmacherlebnisse wie hier im Erlebnis-Bergwerk Velsen sind eine Qualität der Industriemuseen.

Mitmacherlebnisse wie hier im Erlebnis-Bergwerk Velsen sind eine Qualität der Industriemuseen.

Foto: rup

Im Juli endet die Gründungsära im Völklinger Weltkulturerbe (WKE), Generaldirektor Meinrad Maria Grewenig scheidet nach 20 Jahren aus. Das Industriedenkmal steht also vor einer Zäsur. Muss es sich auch konzeptionell neu aufstellen, um zukunftsfähig zu sein? Diese Frage wurde am Dienstagabend im Rahmen der Ringvorlesung „Industriekultur“ in der Völklinger Gebläsehalle zumindest indirekt beantwortet. Dr. Walter Hauser, Direktor des Industriemuseums des Landschaftsverbandes Rheinland (LRV) in Oberhausen und damit über sieben industriekulturelle Standorte, referierte über Industriemuseen im Wandel. Und stellte fest: Dem hybriden Typus gehört die Zukunft – Häusern, die viele Funktionen in sich vereinen.

Denn „nur alte Maschinen hinstellen, funktioniert nicht.“ Laut Hauser muss ein Industriemuseum künftig vitaler Veranstaltungsort sein wie auch außerschulischer Lernort, es muss Technikgeschichte mit Stadt- und Kulturhistorie mixen und aktuelle gesellschaftliche Debatten aufgreifen, etwa die Energiewende. Insbesondere kleinere Häuser an der Peripherie hätten zudem die Chance, zum Quartier-Treffpunkt und zum Nukleus für Stadtentwicklung zu werden. Denn Industriemuseen, so Hauser, eignen sich als „dritte Orte“, die derzeit eine große Aufmerksamkeit genießen. Neben den Wohnsitz (erster Ort) und den Arbeitsplatz (zweiter Ort) sollen öffentliche Räume zum sozialen Austausch und zum gemeinsamen Lernen treten.

 Nicht alle diese Aussagen lassen sich schon mit der Völklinger Hütte verknüpfen, trotzdem wurde durch den Vortrag klar, dass das Weltkulturerbe durch seinen Angebotsmix bereits gut aufgestellt ist. Wobei auch Unterschiede zum Programm des LVR-Industriemuseums deutlich wurden. Dort greift man, anders als im WKE, ausschließlich industriegeschichtliche oder durch den Standort definierte Inhalte auf: „Zechen im Westen“ oder „Die Ruhrchemie in der Fotografie“. Allerdings werden auch in Oberhausen immer häufiger weite Bögen geschlagen, wie Hauser deutlich machte.

 Das Riesenthema Konsum wurde ins Portfolio aufgenommen, weil der massenhafte Kauf von Gebrauchsgütern genuin zum Industriezeitalter dazu gehört. So kann man denn auch ohne schlechtes Gewissen die „Mode 68“ zeigen. Der neue Typus des Industriemuseums ist laut Hauser „anpassungsfähig, hochaktuell, unverwechselbar“. In der Zinkfabrik Altenberg in Oberhausen wird 2022 ein Prototyp eröffnen. Dort will man nicht mehr nur erzählen, wie das Zinkwalzwerk funktioniert, sondern es werden auch die Produktpalette und deren internationale Wege gezeigt.

So viel zur Zukunft. Hauser berichtete aber auch über die Anfänge in den 70er, 80er Jahren, als die Industriemuseen einen völlig neuen Typ von Museum schufen. Dieser „jüngste Zweig der Museumswelt“ hat, anders als die Archäologie oder die Kunstgeschichte, noch keine eigene wissenschaftliche Disziplin entwickelt.

Die Wurzeln liegen in einer Museumsbewegung von unten von Geschichtswerkstätten oder Initiativen ehemaliger Fabrikmitarbeiter für selbstbestimmte Erinnerungsorte. Partizipation führte dazu, dass Industriemuseen bis heute für ein niedrigschwelliges Angebot stehen. Der Verzicht auf Exklusivität ist mittlerweile ein Erfolgsmodell, das andere Museen übernahmen. Doch, so Hauser, „auf diesem Feld sind die Industriemuseen bis heute am besten von allen aufgestellt“. Noch etwas mache sie in der Museumslandschaft einzigartig. Sie spiegelten ihren Standort, dessen Individualität und Identität: „Wir geben Regionen ein Gesicht.“

Trotz all dieser Vorzüge haben es Industriemuseen jedoch zunehmend schwer, bei der Politik Unterstützung zu finden, auch das wurde in Völklingen thematisiert. Selbst im Industriekultur-Vorzeigeland Nordrhein-Weltsfalen (NRW) sei „der Wind rauer geworden“, sagte Hauser während des Publikumsgesprächs. Generell gelte: „Es wird nicht mehr viele Neugründungen geben.“ Keine frohe Kunde für das Saarland, das in Sachen Industriemuseen noch nahezu bei Null steht. Denn im Weltkulturerbe wird nicht gesammelt.

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