Architektur im Saarland Vom Vorzug „dienender Architektur“

Saarbrücken · Der Püttlinger Architekt Willi Latz setzt mit seinem Büro „arus architekten“ in Saarbrücken viele Zeichen – wieso ist er so gut im Rennen?

 Architekt Willi Latz (60) vor seinem Neubau des Bruder-Konrad-Hauses – einem von 15 ausgewählten Bauwerken für den „Tag der Architektur“.

Architekt Willi Latz (60) vor seinem Neubau des Bruder-Konrad-Hauses – einem von 15 ausgewählten Bauwerken für den „Tag der Architektur“.

Foto: Rich Serra

Es sind nur eine Handvoll Blätter in einer dicken Präsentationsmappe. Und doch erklären sie besser als alles andere, warum Willi Latz als Architekt derzeit derart gut im Geschäft ist. Sie zeigen seine Entwürfe für die neue zentrale Saarbrücker Polizeiinspektion in der Mainzer Straße, verknüpft mit Latz’ Plänen für die Wohnbebauung der umliegenden Brache. Ein erstes Blatt abstrahiert die vorhandene städtebauliche Struktur des Umfeldes: die Straßenzüge sind als Linien eingezeichnet, die angrenzenden Wohn- und Gewerbeblöcke im Grundriss. Ein zweites illustriert vorhandene Grünzonen, ein drittes zeigt, wie sich Latz’ Entwurf einfügt in diese vorhandene Topographie – wie er sie aufnimmt und organisch weiterführt. Weshalb man beim Durchblättern unweigerlich denkt: Klar, so muss man das lösen. Ist doch ganz einfach, eigentlich.

Ist es natürlich nicht. Nicht nur das Raumprogramm für die Polizei-Inspektion ist ambitioniert. Sondern auch die logistischen Vorgaben, was wie wo gewährleistet sein muss (und sei es nur das optimierte Parken von Einsatzfahrzeugen). Hinter die Polizeikaserne, die sich als langgezogener Riegel mit einer gerasterten Fassade an die Straßenkreuzung anschmiegt, setzt Latz zwei Parkhäuser (eines für die Polizei, eines für die künftigen Anwohner des mittelfristig zu realisierenden Wohngebiets). Und greift in den vier prototypischen, variabel entworfenen Wohnblocks zur Linken die blockartige Grundstruktur der umliegenden Stadtquartiere auf.

Zwei Dinge fallen nicht nur an diesem Latz-Entwurf auf: Sein Gesamtensemble fügt sich nahtlos in die bestehende Bebauung ein. Damit verbunden, blendet seine Architektur nicht mit großer Entwurfsgestik, sondern lässt sich eher in die Schublade „dienender Architektur“ stecken. Gepaart mit der ihm nachgesagten unbedingten Verlässlichkeit scheint das Latz und sein Püttlinger Büro zu einem idealen Partner für Bauherren und Investoren zu machen. Realisiert er daneben doch ein weiteres großes innerstädtisches Bauprojekt: den geplanten Gewerbepark am Römerkastell auf dem alten Becolin-Gelände.

Durchquert man mit dem Püttlinger Architekten das dem Erdboden gleichgemachte alte Fabrikgelände, auf dem Giovanni D’Arcangelos „Sektor Heimat“ vor ein paar Jahren noch legendäre Rave-Partys veranstaltete, kommt Latz wieder auf das vorhandene „städtebauliche Gerüst“ zu sprechen, das sein prämierter Wettbewerbsentwurf wie eine Blaupause adaptiert – ganz ähnlich wie beim Luftlinie wenige hundert Meter entfernten Polizeikasernen-Quarée. Weil eine (zwischenzeitlich erwogene) Wohnbebauung auf dem Becolingelände aufgrund der vorhandenen Lärm-Emission im Umfeld angeblich nicht infragekommt, soll hier nun Gewerbe angesiedelt werden – etwa Kanzleien oder Versicherungen. Bis zu 1000 Arbeitsplätze soll es am Ende dort geben. Seinem bewährten modularen Konfigurationsprinzip folgend, reiht Latz mithin auf knapp zwei Hektar klar strukturierte, viergeschossige Blöcke zwischen Mainzerstraße und Lyonerring aneinander. Wird es das nächste, abends tote Büroviertel Saarbrückens nach den Saarterrassen und dem Eurobahnhof?

Wie variabel Latz Entwurfsplanung angelegt ist, zeigt der zwischenzeitlich mühelos daraus entfernte Baustein „Saarphilharmonie“: Weil der städtebauliche Wettbewerb als Option eine Mischnutzung vorsah (Büroflächen plus Konzertsaal),hatte Latz einen als Baukörper ein wenig an Christoph de Portzamparcs Luxemburger Philharmonie erinnernden Konzertsaal mitgeliefert. Nachdem sich nun abzeichnet, dass der Wunsch der Klassikfraktion wohl ein Luftschloss bleibt, hat er seine Pläne vergleichsweise kommod den neuen, profaneren Bau-Realitäten angepasst.

Zeigt dies, dass Latz’ architektonische Handschrift in erster Linie einer überschaubar originellen Baukasten-Philosophie folgt? Vielleicht. Umgekehrt aber ist gerade die daraus resultierende hohe Variabilität seiner Entwürfe, die man tunlichst nicht mit Beliebigkeit verwechseln sollte, heutzutage, wo das Bauen vielerlei Restriktionen und Investoreneinflüssen unterliegt, offenkundig ein entscheidendes Qualitätsmerkmal. Dass Willi Latz und sein Büro „arus architekten“ keine letztlich austauschbare Architektursprache pflegen, zeigt sein unlängst eingeweihter Erweiterungsbau für das Saarbrücker Bruder-Konrad-Haus – eine Heimstätte für Wohnungslose. Es ist eines der 15 Bauwerke, das am kommenden Wochenende anlässlich des „Tages der Architektur“ inspiziert werden können (siehe Info).

 Entwurf von Willi Latz für die geplante neue Saarbrücker Polizei-Inspektion (vorne rechts), dahinter zwei Parkhäuser (weiß bedacht) sowie die bestehende Deckarm-Halle (oben rechts). Linkerhand schließen sich vier Wohnblocks an.

Entwurf von Willi Latz für die geplante neue Saarbrücker Polizei-Inspektion (vorne rechts), dahinter zwei Parkhäuser (weiß bedacht) sowie die bestehende Deckarm-Halle (oben rechts). Linkerhand schließen sich vier Wohnblocks an.

Foto: Computergrafik: Architekturbüro Arus/Willi Latz
 Entwurf für das Saarbrücker Becolingelände am Römerkastell: Neun Neubauten (in der Visualisierung beige) sind zwischen Mainzerstraße (vorne) und Lyonerring (hinten) geplant. In der Bildmitte das denkmalgeschützte alte Verwaltungsgebäude der Farbenfabrik, ein Bauhaus-Bau.

Entwurf für das Saarbrücker Becolingelände am Römerkastell: Neun Neubauten (in der Visualisierung beige) sind zwischen Mainzerstraße (vorne) und Lyonerring (hinten) geplant. In der Bildmitte das denkmalgeschützte alte Verwaltungsgebäude der Farbenfabrik, ein Bauhaus-Bau.

Foto: Visualisierung: arus GmbH Willi Latz
 Latz’ Mitte Mai eröffneter Neubau des Bruder-Konrad-Hauses in der Saarbrücker Fichtestraße.

Latz’ Mitte Mai eröffneter Neubau des Bruder-Konrad-Hauses in der Saarbrücker Fichtestraße.

Foto: Rich Serra

Für 4,5 Millionen Euro (inklusive Nebenkosten, Außenanlage und Altbau-Kosmetik) hat Latz im Auftrag des Caritasverbandes einen markanten, fünfgeschossigen Kubus entworfen, der etwas einlöst, was man sich heutzutage öfter wünschte: Nicht nur die mittels schräger Fensterlaibungen wohltuend rhythmisierte Fassade überzeugt, auch im Inneren offenbart Latz’ Sozialbau in jeder Ecke und jedem Detail die Wertigkeit, die er den Bewohnern entgegenbringt. Klar und durchdacht sind die Raummaße und Verkehrswege, sodass das Haus (bis hin zu den von arus selbst entworfenen Möbeln) den dort Untergebrachten eine Behaglichkeit und Struktur bietet, die ihnen im Leben womöglich abgeht. Raffiniert gelöst ist die Verzahnung von Alt- und Neubau mittels eines Glasganges, den Latz (und sein Projektleiter Christian Schüßler) mit einer perforierten Metallfassade aus eloxiertem Aluminium verblenden ließen. Darin ist das ausgestanzte Konterfei des Namensgebers des Hauses zu sehen, des Franziskanerbruders Konrad. Wie man sich beim „Tag der Architektur“ selbst überzeugen kann, materialisiert die Umsetzung von Latz den caritativen Leitgedanken des Hauses auf bemerkenswerte Weise.

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