Vom Ende der Unschuld

Saarbrücken · Ungezwungen und authentisch erzählt André Kubiczek in seinem neuen Roman „Skizze eines Sommers“ vom Hochgefühl der Jugend in der DDR. In dem Buch blitzt seine eigene Biografie auf.

Große Ferien und eine sturmfreie Bude. René aus Potsdam gehört die Welt in diesem Sommer 1985. Gemeinsam mit seinen Kumpels Dirk und Michael kleidet er sich schwarz und liest Baudelaire. Was gar nicht so einfach ist in der DDR, wo "Die Blumen des Bösen" als verpönt gelten. "Immer, wenn einer von uns das Buch abgab, stand der nächste von uns quasi schon hinter ihm in der Schlange bereit und lieh es sofort wieder aus. Auf diese Weise schützten wir unsere Stadt vor der Baudelaire‘schen Dekadenz."

Nicht nur, weil seine Mutter gestorben ist und er allein mit dem Vater leben muss, hat der 16-jährige René einen Hang zur Melancholie. Auch, weil er nach den Sommerferien in ein Eliteinternat nach Halle an der Saale gehen soll. Davor will er es noch mal so richtig krachen lassen. Und dann kommen die Mädchen ins Spiel! Eh er sich versieht, hat René gleich drei von ihnen an der Backe. . . Ungezwungen und authentisch erzählt der 1969 geborene André Kubiczek in seinem neuen Roman "Skizze eines Sommers" vom Hochgefühl der Jugend und vom Ende der Unschuld. Manches darin mutet ein bisschen pubertär an. Aber so muss das auch sein in einem guten Adoleszenzroman. Immer wieder hat Kubiczek in Büchern wie "Junge Talente" (2002), "Oben leuchten die Sterne" (2006) oder "Das fabelhafte Jahr der Anarchie" (2014) seine jugendlichen Protagonisten ausbrechen lassen. Vieles im Buch hat einen autobiographischen Hintergrund.

Manchmal erinnert der Tonfall dieses wohltuend natürlichen Romanes an "Die neuen Leiden des jungen W." von Ulrich Plenzdorf. Um ein echtes Kultbuch zu werden aber fehlt dem Roman dann doch die Dichte. Im Grund unterscheidet sich das Leben dieser Jugendlichen kaum von dem, das ihre Altersgenossen Mitte der 80er Jahre im Westen gelebt haben. Die Politik überlassen sie den Erwachsenen. Wer in den 80er Jahren selbst jung war, wird sich wiederfinden in diesem traurig-schönen Roman.

André Kubiczek: Skizze eines Sommers. Rowohlt, 384 Seiten, 19,95 Euro.

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