Kritik an Spotify und Youtube „Und am Ende wird man nicht bezahlt“

Saarbrücken · Der Kölner Musiker Lando van Herzog hat genug von der Umsonstkultur im Internet, unter der auch er leidet. Sein Konzeptalbum „Project Fair Play“ soll aufklären, wie wichtig – und oft komplett ausgehebelt – das Urheberrecht ist.

 Lando van Herzog, einst Geigenschüler bei Zipflo Reinhardt, einem Nachfahren der Jazzlegende Django Reinhardt. Van Herzog hat unter anderem mit Countertenor Andreas Scholl zusammengearbeitet.

Lando van Herzog, einst Geigenschüler bei Zipflo Reinhardt, einem Nachfahren der Jazzlegende Django Reinhardt. Van Herzog hat unter anderem mit Countertenor Andreas Scholl zusammengearbeitet.

Foto: Horst Galuschka

Nein, gegen das Internet hat Lando van Herzog nichts. Schon gar nicht als Musiker. Sounddateien lassen sich umherschicken, das Produzieren geht schneller, die Kommunikation sowieso. Aber ein Nachteil erschlägt nahezu alle Vorteile: die kollektive Umsonstkultur mit illegalem Herunterladen von Musik und Filmen. Für van Herzog ist das nichts anderes als geistiger Diebstahl. Eine Studie des Bundesverbands Musikindustrie von 2016 besage, wie er erklärt, „dass nur die Hälfte der 30-39-Jährigen bereit wäre, für Musik zu bezahlen. Man stelle sich vor, das stünde so auch im Jahresbericht des Lebensmittelhandels: Bloß die Hälfte der Konsumenten sei bereit, an der Kasse für die Ware zu bezahlen. Das ist doch verrückt.“ In den Augen des Musikers fehlt es an „Bewusstsein für geistiges Eigentum.  Der Reflex, nicht zu klauen, ist sehr klein geworden.“

Van Herzog weiß, wovon er spricht, seine anfängliche Internet-Euphorie ist dahin. Im Netzwerk myspace war der Musiker früher sehr präsent, sagt er, viel Feedback gab es, er schätzte im Internet die Kommunikation mit Fans und eben auch die Möglichkeit, Musik per Download zu verkaufen. „Ich dachte, das ist toll, da gibt es gute Verdienstmöglichkeiten“. Heruntergeladen wurde seine Musik reichlich, wie er erzählt, aber illegal auf Sharingplattformen, „also geklaut. Das brachte mich damals in eine finanzielle Schieflage. Man macht sich viel Arbeit, und am Ende wird man nicht bezahlt.“ Durch die fehlende Vergütung drohe auch die  Entprofessionalisierung einer ganzen Branche: „Wenn ein Wirtschaftszweig seine Künstler nicht angemessen finanzieren kann, dann können die auch nicht mehr angemessene Qualität herstellen. Dann wird das Produkt eben um die Hälfte billiger und doppelt so schnell produziert. Dieses Kulturschiff hat  eine starke Schräglage – wenn wir so weiter machen, könnte es kentern.“

Um die See zu glätten, hat van Herzog sich mit Kollegen zusammengetan und ein Konzeptalbum zum Thema aufgenommen, „alles absolut ehrenamtlich“, selbstfinanziert, ohne Unterstützung einer Plattenfirma, rund fünf Jahre lang. Um die Idee des Fairplay im Allgemeinen geht es, „wir wollten nicht zu monothematisch sein.“ Die Künstler kommen aus höchst unterschiedlichen Bereichen und Genres – das Album beginnt und endet mit orchestralem Wohlklang der Prager Philharmoniker, dazwischen gibt es deutschen Soul-Pop von Yvonne Catterfield, Balladenpop von Marianne Rosenberg, soften HipHop der Söhne Mannheims, Violinenjazz von Zipflo Reinhardt und Nummern von van Herzog, mal choral mit den Kölner Domchorknaben, mal Euro-Dance-lastig. Ein Kessel Buntes also, in dem auch gelesene Texte Platz finden. Ulrich Noethen trägt aus Tanja Kinkels „Im Schatten der Königin“ vor, Christoph Maria Herbst und MTV-Veteran Steve Blame lesen einen Text van Herzogs über „Fair Play“ als „Spirit of life“.

Jenes „Fair Play“ vermisst er auch bei Streamingdiensten. Die Bedingungen, nach denen Spotify & Co für Musik abrechnen, würden nicht von den Künstlern verhandelt, sondern von den Musikkonzernen. „Musikindustrie und Streamingplattformen vertreten aber vorrangig bis ausschließlich ihre eigenen Interessen und sind abhängig von den Ansprüchen der auf Gratiskultur eingeschworenen Konsumenten.“

 Auch Youtube biete keinen Hoffnungsschimmer, sagt der Musiker. „Youtube nutzt alle rechtlichen Schlupflöcher aus, um die Werke gar nicht oder deutlich unter Wert zu vergüten. Die Kreativen werden nicht fair am Gewinn beteiligt. Die großen Plattformen haben unendliche Macht.“ Nur – ist diese Macht zu brechen und die Umsonst-Kultur überhaupt noch umdrehbar? Van Herzog spricht immerhin von der „Hoffnung, dass wir da gegenwirken können“. Strafrechtliche Maßnahmen oder technische Schranken funktionierten einfach nicht, van Herzog beruft sich da lieber auf einen der Partner seiner Kampagne, Dieter Overath, den Gründer von Fairtrade. Der habe sich  25 Jahre abgemüht, um den Gedanken des fairen Handels in die Köpfe zu kriegen. „Aber jetzt ist es so weit, dass man Fairtrade auch im Supermarkt kaufen kann.“

Ein Teil der Kampagne sind auch Lehrmittel, die die Mitarbeiter des Projekts nach Gesprächen mit Bildungspolitikern in Nordrhein-Westfalen erstellt haben. Handbuch und Album werden den Schulen angeboten, viele hätten schon zugegriffen, sagt van Herzog.

Finanziellen Gewinn mit dem Album erhofft  er sich nicht, dazu habe man zu viel Zeit und Geld investiert – und um Profit gehe es hier auch nicht. „Wenn es den gäbe, würde er wieder ins Projekt fließen – etwa für Veranstaltungen oder um das Ganze international zu machen. Das wäre das Sahnehäubchen.“ Zu haben ist das Album als CD und als Download. Ob man das Album schon irgendwo illegal herunterladen kann, weiß van Herzog nicht. „Das habe ich noch nicht recherchiert – das will ich mir erstmal nicht antun.“

Project Fair Play (Landoland Records). Download, Videos, Texte, Lehrmittel und Infos unter http://project-fairplay.com

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