„Project Fair Play“ contra Umsonstkultur „Und am Ende wird man nicht bezahlt“

Der Musiker Lando van Herzog hat genug von der Umsonstkultur im Internet, die ihn auch selbst betrifft. Sein „Project Fair Play“ soll auf das Problem aufmerksam machen, auch auf die allzu große Macht von Spotify und Youtube.

 Lando van Herzog.

Lando van Herzog.

Foto: Horst Galuschka

Nein, gegen das Internet hat Lando van Herzog ja nichts. Schon gar nicht als Musiker. Sounddateien lassen sich umherschicken, das Produzieren geht schneller, die Kommunikation sowieso. Aber ein Nachteil erschlägt nahezu alle Vorteile: die kollektive Umsonstkultur mit illegalem Herunterladen von Musik und Filmen. Für van Herzog ist das nichts anderes als geistiger Diebstahl. „Eine Studie des Bundesverbands Musikindustrie von 2016 besagt“, erklärt er, „die Hälfte der 30-39-Jährigen wäre bereit, für Musik zu bezahlen. Man stelle sich vor, das stünde so auch im Jahresbericht des Lebensmittelhandels - fast die Hälfte der Konsumenten ist bereit, an der Kasse für die Ware zu bezahlen. Das ist doch verrückt.“ In den Augen des Musikers fehlt es an „Bewusstsein für geistiges Eigentum. Der Reflex, nicht zu klauen, ist sehr klein geworden.“

„Finanzielle Schieflage

 Lando van Herzog

Lando van Herzog

Foto: Manfred Jasmund

Van Herzog weiß, wovon er spricht, nachdem sich seine anfängliche Internet-Euphorie langsam, aber sicher verflüchtigt hat. Bei myspace war der Musiker früher sehr präsent, sagt er, viel Feedback gab es, Kommunikation mit Fans und eben auch die Möglichkeit, die Musik gegen Geld herunterzuladen. „Ich dachte, das ist toll, da gibt es gute Verdienstmöglichkeiten“. Heruntergeladen wurde seine Musik reichlich, wie er erzählt, aber illegal auf Sharingplattformen, wie er nach einer Recherche feststellte, „also geklaut. Das brachte mich damals in eine finanzielle Schieflage. Man macht sich viel Arbeit, und am Ende wird man nicht dafür bezahlt.“ Durch die fehlende Vergütung drohe auch die Entprofessionalisierung einer ganzen Branche: „Wenn ein Wirtschaftszweig seine Künstler nicht angemessen finanzieren kann, dann können die auch nicht mehr angemessene Qualität herstellen. Dann wird das Produkt eben um die Hälfte billiger und doppelt so schnell produziert, das Produkt wird schlechter. Dieses Kulturschiff hat eine starke Schräglage - wenn wir so weiter machen, könnte es kentern.“

„Project Fair Play“

Um die See zu glätten, hat van Herzog sich mit Kollegen zusammengetan und ein Konzeptalbum zum Thema aufgenommen, „alle absolut ehrenamtlich“, selbstfinanziert, ohne Unterstützung einer Plattenfirma, rund fünf Jahre lang. Um die Idee des Fairplay im Allgemeinen geht es, „wir wollten nicht zu monothematisch zu sein.“ Die Künstler kommen aus sehr unterschiedlichen Bereichen und Genres – das Album beginnt und endet mit orchestralem Wohlklang der Prager Philharmoniker, dazwischen gibt es deutschen Soul-Pop von Yvonne Catterfield, Balladenpop von Marianne Rosenberg, soften HipHop der Söhne Mannheims, Violinenjazz von Zipflo Reinhardt und Nummern von van Herzog, mal choral mit den Kölner Domchorknaben, mal Euro-Dance-lastig. Ein Kessel Buntes also, in dem auch Texte Platz finden. Ulrich Noethen liest einen Auszug aus Tanja Kinkels „Im Schatten der Königin“, Christoph Maria Herbst und Steve Blame, MTV-Mann der ersten Stunde, lesen einen Text van Herzogs über „fair play“ als „Spirit of life“.

Die Macht von Spotify und YouTube

Jenes „Fair Play“ vermisst er auch beim Streaming. Die Bedingungen, nach denen Spotify & Co für Musik abrechnen, würden nicht von den Künstlern verhandelt, sondern von den Musikkonzernen. „Musikindustrie und Streamingplattformen jedoch vertreten vorrangig bis ausschließlich ihre eigenen Interessen und sind abhängig von den Ansprüchen der auf Gratiskultur eingeschworenen Konsumenten.“ Wer in dieser Kette – Konsument – Streamingdienst – Musikkonzern – Musiker – das Nachsehen habe, sei offensichtlich. „Streamingdienste sind derzeit für – insbesondere deutschsprachige – Musiker selten eine lukrative Einnahmequelle, sofern sie keine hohe Gewinnbeteiligung mit den Musikfirmen ausgehandelt haben.

Auch Youtube biete keinen Hoffnungsschimmer, sagt der Musiker. „Youtube nutzt alle rechtlichen Schlupflöcher aus, um die Werke gar nicht oder deutlich unter Wert zu vergüten. Die Kreativen werden nicht fair am Gewinn beteiligt. Die großen Plattformen haben unendliche Macht.“


Nur – ist diese Macht zu brechen und die Umsonst-Kultur überhaupt noch umdrehbar? Van Herzog spricht immerhin von der „Hoffnung, dass wir da gegenwirken können“. Strafrechtliche Maßnahmen oder technische Lösungen funktionierten einfach nicht, van Herzog beruft sich da lieber auf einen der Partner seiner Kampagne, Dieter Overath, den Gründe von Fairtrade. Der habe sich 25 Jahre eingesetzt, um den Gedanken des fairen Handels in die Köpfe zu kriegen. „Aber jetzt ist es so weit, dass man Fair Trade auch im Supermarkt kaufen kann.“ Man werde Zeit brauchen, sei aber auf dem richtigen Weg. Ein Teil der Kampagne sind auch Lehrmittel, die die Mitarbeiter des Projekts nach Gesprächen mit Bildungspolitikern in Nordrhein-Westfalen erstellt haben. Handbuch und Album werden den Schulen angeboten, viele hätten schon zugegriffen, sagt van Herzog.

Einen finanziellen Gewinn mit dem Album erhofft sich van Herzog nicht, dazu habe man zu viel Zeit und Geld investiert - und um Profit gehe es hier auch nicht. „Wenn es den gäbe, würde er wieder ins Projekt fließen - etwa für Veranstaltungen oder um das Ganze auch international zu machen. Das wäre dann das Sahnehäubchen.“ Zu haben ist das Album als CD und als Download. Ob man das Album schon irgendwo illegal herunterladen kann, weiß van Herzog nicht. „Das habe ich noch nicht recherchiert - das will ich mir erstmal nicht antun.“

Projekt Fair Play (Landoland Records).

Download, Videos, Texte, Lehrmittel und weitere Informationen unter: http://project-fairplay.com

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