Raph Schocks Literaturdebüt Tiefenbohrung in die 50er: Schocks Literaturdebüt

Saarbrücken · „Kaffeeschmuggler und Steckdosenmäuse“ – der Titel von Ralph Schocks literarischem Debüt führt in die Irre. Klingt das doch, weil es um „eine Kindheit in den 50ern“ (so der Untertitel) geht, nach zu Herzen gehender Beschaulichkeit, nach Mitbringsel-Literatur. Das ist Schocks Band zum Glück nicht. Was aber nun auch nicht heißt, dass seine Prosaminiaturen sperrig oder abgründig wären. Bei seinen Lesungen, erzählt er, hätten die Zuhörer „meistens gleich eigene Kindheitserinnerungen zum besten gegeben“.

„Kaffeeschmuggler und Steckdosenmäuse“ – der Titel von Ralph Schocks literarischem Debüt führt in die Irre. Klingt das doch, weil es um „eine Kindheit in den 50ern“ (so der Untertitel) geht, nach zu Herzen gehender Beschaulichkeit, nach Mitbringsel-Literatur. Das ist Schocks Band zum Glück nicht. Was aber nun auch nicht heißt, dass seine Prosaminiaturen sperrig oder abgründig wären. Bei seinen Lesungen, erzählt er, hätten die Zuhörer „meistens gleich eigene Kindheitserinnerungen zum besten gegeben“.

Tatsächlich öffnen die oft nur eine halbe Seite langen Vergangenheits­szenen leichthin Pforten in vergessene Alltagsgebiete – begraben unter einem halben Jahrhundert, über dem dann auch noch die Kakophonie des Hier und Jetzt ihr alles nivellierendes Unwesen treibt. Der eigentliche Reiz dieser von Schock zum Zweck ihrer Ent-Privatisierung atmosphärisch bisweilen oft bis auf die Knochen abgenagten literarischen Sammelbilder ist ihr verborgener Magnetismus: Puzzlestücken gleich fügen sie sich unter der Hand zu einem fein beobachteten Gesamttableau. Schon das erste dieser Kindheitsbilder führt eine ganze, untergegangene Epoche an der Hand: „Lieblingshöhle“ heißt es und beschreibt in neun, schlichten Sätzen den Verschlag des kleinen Ralph (Schock wurde 1952 als einziges Kind eines Paketzustellers und einer Hausfrau und Friseurin im Nebenberuf in Ottweiler geboren) unter der Flurtreppe, wo es nach Bohnerwachs, Terpentin und Staub roch.

Man liest von Bakelitschaltern, Kittelschürzen, Alaunsteinen oder Metzelsuppen – Wörter, die synästhetische Funken entzünden. 1998, so erzählt Schock, habe er für seine (inzwischen lange erwachsenen) beiden Töchter ein gutes Dutzend Szenen seiner Kindheit aufgeschrieben. Einmal entkorkt, liefen immer mehr Bilder aus dem alten Ottweiler Kindheitsschlauch. Über die Jahre hat er sie gesammelt, behauen, zurechtgefeilt. Sie „entschlackt“, wie er sagt. Und literarisiert, sodass die Phantasie ein Wörtchen mitredet. Schocks „Ich“ also nicht immer eins zu eins der kleine Ralph von damals ist. Manches ist amüsant (etwa die Frage des Kindes, ob das Schienbein das rechte oder linke Bein ist), manches ein bisschen zu niedlich (etwa die kindliche Suche der Steckdosenmaus nach des Vaters Warnung vor dem einen beißenden Mäuschen darin). Manchmal übertreibt es Schock auch mit der Unschuld und Artigkeit des kindlich angeschlagenen Tons. Vieles aber evoziert gerade dank der Behutsamkeit und Konzentriertheit von Schocks Erzählens klitzekleine Resonanzräume, an die man das Ohr legen kann und die Vergangenheit wieder sprechen hört.

Ralph Schock: Kaffeeschmuggler und Steckdosenmäuse. Eine Kindheit in den 50ern. Verbrecher Verlag, 139 Seiten, 19 €.

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