Berliner Ensemble Sieben Stunden „Les Misérables“

Berlin · Frank Castorf inszeniert Victor Hugos Roman am Berliner Ensemble.

(dpa) Nach dem Ende seiner 25-jährigen Intendanz an der Berliner Volksbühne hat Frank Castorf (66) erstmals wieder an einem hauptstädtischen Theater inszeniert: In der Nacht von Freitag auf Samstag kam seine Version von Victor Hugos Roman „Les Misérables“ („Die Elenden“) am Berliner Ensemble heraus – mit einer Aufführungsdauer von siebeneinhalb Stunden.

Die gedankliche Tiefe der 1862 erschienenen, etwa 1700 Seiten umfassenden Vorlage erreicht die Inszenierung von Castorf allerdings nur momentweise. Victor Hugos Kunst, mit schillernder Sprache handfeste Charaktere zu zeichnen, und deren Schicksale als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen zu nutzen, bleibt weithin auf der Strecke.

Den Zugang erschwert ein Zuviel an Assoziationen: Sie reichen von Worten des Dichters Heiner Müller, über Verweise auf Alfred Hitchcock und andere Filmlegenden bis zu Motiven aus dem 1967 erschienenen Roman „Drei traurige Tiger“. Darin schildert der kubanische Autor Guillermo Cabrera Infante Episoden aus dem Alltag Havannas unter Diktator Batista in den 1950er Jahren. Hugos packende Geschichte um den ehemaligen Galeeren-Sträfling Jean Valjean gerät bei Castorf ins Hintertreffen.

Gespielt wird in einem sich nahezu ständig drehenden Gewirr aus Büro, Gemüsemarktstand, Hotelzimmer, Treppen, einem Turm, Balkon und Gefängnis. Entworfen hat den Bau Bühnenbildner Aleksandar Denic. In seinem Labyrinth muten die Schauspieler oft nur noch wie Statisten an. Viele Aktionen sind für das Publikum nur deshalb sichtbar, weil ständig Videokamera und Mikrofon im Einsatz sind. Zudem macht es eine fast durchgängige Musik-Berieselung den Schauspielern schwer, die oft komplizierten Texte zur Wirkung zu bringen.

Die Aufführung insgesamt kann künstlerisch nicht überzeugen. Einzelne Besucher gingen wohl auch deshalb bereits vor der Pause. Der Schlussbeifall der vielen Dagebliebenen fiel, gegen halb zwei nachts, jedoch freundlich aus.

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