Sie werden die Welt bestimmen – uns auch?

Saarbrücken · Ulrich Eberl führt in „Smarte Maschinen“ in internationale Forschungslabors und zeichnet den heutigen Stand der wissenschaftlichen und industriellen Forschung in den Bereichen Robotik und Künstliche Intelligenz nach. Sein Buch skizziert beider Auswirkungen auf unser künftiges Berufs- und Alltagsleben. Eberl macht klar: Die Ära der autonomen, selbstlernenden Maschinen hat längst begonnen. Nähern sich Mensch und Maschine bald bis zur Ununterscheidbarkeit einander an? Humanoide Roboter, die ihren Entwicklern wie Klone aufs Haar gleichen, sind bereits Realität. Kommt als nächstes dann die Robotergesellschaft? In absehbarer Zeit nicht. Zumindest sind Maschinenwesen, deren Intelligenz der menschlichen entspricht, bislang nicht in Sicht. Doch wie lange?

Alleine in den USA sind einer Studie der Uni Oxford zufolge in den nächsten 20 Jahren fast die Hälfte aller Jobs gefährdet - durch intelligente Softwaresysteme oder Roboter. Nicht nur Handwerker, Kassiererinnen oder Krankenpfleger, sondern auch die Berufsstände der Journalisten, Steuerberater oder Ärzte könnten ausgedünnt werden. Weil Algorithmen sehr viel schneller, ausdauernder und genauer als sie agieren könnten. Gefährdet sein dürften aber in erster Linie Routinejobs in Verwaltung, Logistik, Einzelhandel. Zumal sich die Rechen- und Speicherleistungen von Mikrochips bis 2035 mutmaßlich noch einmal vertausendfachen wird. Hinzu kommt, dass modernste Sensortechnik den Bau feingliedriger, leichter Humanoiden vorantreiben wird, da deren Gewicht infolge ihrer Steuerung von einer Cloud aus kein Hindernis mehr darstellen wird.

Wie einschneidend sich unser Arbeits- und Privatleben durch den Einsatz intelligenter Maschinen verändern wird, skizziert Ulrich Eberls Buch "Smarte Maschinen". Eberl, Wissenschaftsjournalist und Physiker, bilanziert den internationalen Forschungsstand der Robotik. Und wägt deren Potenziale und Gefahren gegeneinander ab. Seine zuhauf Fakten zusammentragende tour d'horizon sieht unterm Strich mehr Vor- denn Nachteile. Ob die Zuversicht gerechtfertigt ist? Zwar relativiert Eberls Buch die Gefahr von Automatisierung, Cyberkriegen oder den denkbaren Kontrollverlust über Roboter, nicht aber die Folgen der Datenspeicherung. Jeder PC-Klick ist längst zum Fußabdruck geworden. "Personenbezogene Daten werden immer mehr zu den Gold-Nuggets des Internetzeitalters", schreibt er. Auf Facebook etwa werden monatlich elf Milliarden Fotos hochgeladen (und in einer Daten-Cloud abgelegt), die von einer Gesichtserkennungssoftware mühelos zu katalogisieren sind: Big Data is watching you.

Programmieren war gestern, erläutert Eberl schon eingangs. Heute wiederholten Maschinen nicht stur, was ihnen eingegeben worden ist, sondern seien längst zu selbstlernenden, intelligenten Systemen geworden. Werden sie damit nicht auch unberechenbar? Werden Androiden, die Menschen bereits zum Verwechseln ähnlich sehen, bald nicht nur mit uns konkurrieren, sondern im Verbund mit Informationsfilter- und Überwachungssystemen uns technisch unterwandern? "iCub", einer der technisch versiertesten Androiden, gibt in einem Video einer ihn zwickenden Computerwissenschaftlerin zur Antwort: "Eines Tages werden Roboter die Macht übernehmen und dann müsst ihr dafür zahlen."

Noch, führt Eberl aus, ist "eine der menschlichen Intelligenz ebenbürtige Maschine noch lange nicht in Sicht". Andererseits: Gut 30 Jahre, nachdem die Künstliche Intelligenz (KI) damit begonnen hat, das Konzept der Neuronalen Netze zu entwickeln und damit die Funktionsweise des menschlichen Gehirns und seiner Nervenzellen (Neuronen) zu imitieren, hat sich Unglaubliches getan. Wenngleich der alte Spruch, "Computern fällt leicht, was Menschen schwerfällt - und umgekehrt", noch gilt und auch heutige Roboter noch ihre liebe Not damit haben, Bälle zu fangen, Hindernissen auszuweichen oder Türen zu öffnen: Nano-Technik, Robotik und KI-Forschung haben Eberl zufolge ihr Knowhow mal um mal potenziert. So nutzen wir heute, als sei dies die selbstverständlichste Sache der Welt, Computer, die annähernd genauso leistungsfähig sind wie Supercomputer vor 20 Jahren. Noch ist die Rechen- und Speicherfähigkeit des menschlichen Gehirns etwa 10 000 mal größer als die modernster Smartphones. Doch bis 2050 würden diese aufschließen, zitiert Eberl Prognosen seriöser Forscher. So genannte Deap-Learning-Netzwerke, für die ungeheure Datenmengen eingespeist und eine nach dem Vorbild des Gehirns komplex strukturierte Software bereits Objekte und Muster aller Art zu erkennen und klassifizieren hilft, haben die Bilderkennung per Computer längst revolutioniert. Konkret nutzbar machen lässt sich dies etwa in der Medizin. So zeigten Forscher der Stanford-Universität, dass ein bei der Brustkrebsdiagnose eingesetzter Deep-Learning-Algorithmus bessere Diagnose-Resultate erzielte als Ärzte.

Googles Software AlphaGo, die im März den weltbesten Go-Spieler (asiatisches Brettspiel) bezwang, soll bereits über eine Art intuitives Wissen verfügen. AlphaGo funktioniert im Prinzip wie Google selbst: So wie die Internet-Suchmaschine mit jeder der täglich eingehenden sechs Milliarden selbst Suchanfragen klüger wird, erweitert AlphaGo seine Algorithmus-Kompetenz mit jeder Anwendung. Zwar würden, zitiert Eberl Forscher, Roboter künftig nicht für jederman erschwinglich sein. Selbst in 30 Jahren dürften virtuelle Butler für den Hausgebrauch einen Kleinwagen kosten. Andererseits würden Roboter günstiger und wendiger, weil sie aufgrund vernetzter Daten-Clouds weniger Hardware schulterten.

2014 wurden weltweit bereits fünf Millionen kleinere Roboter an Privatpersonen verkauft (überwiegend als Staubsauger und Rasenmäher). Bereits 2018 dürften hingegen nach Schätzungen der International Federation of Robotics (IFR) 50 Millionen Serviceroboter zum Einsatz kommen. In der Industrie werden bis dahin, diese IFR-Prognose überrascht, nur 2,3 Millionen Industrieroboter beschäftigt sein. Da sie, wie das von Eberl zitierte Beispiel VW zeigt, jedoch bereits heute nur ein Zehntel eines Arbeiters kosten (der Facharbeiter knapp 50 Euro pro Stunde, ein Roboter bei einer Laufzeit von 35 000 Stunden und Betriebskosten von 100 000 bis 200 000 Euro umgerechnet drei bis sechs Euro), ist absehbar, dass die Automatisierung im großen Stil Einzug halten wird.

Ulrich Eberl: Smarte Maschinen. Wie Künstliche Intelligenz unser Leben verändern wird. Hanser, 406 Seiten, 24 €.

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Hintergrund Der Zukunftsforscher Michio Kaku glaubt, dass in Kleidung eingesetzte Computerchips bald unsere Gesundheit überwachen und bei Unfällen das Krankenbulletin herunterladen könnten. Sprechende Service-Roboter wie Care-O-bot 4 oder der Sozialroboter "Pepper", der Mimik und Tonfall seines Gegenübers mittels Sensoren analysiert und ihm Empathie signalisiert, könnten bald in Pflegeheimen oder an Informationsschaltern Dienst tun. Daniela Rus vom Massachusetts Institute of Technology prophezeit eine Art "Robogami": die individuelle Herstellung von Humanoiden aus dem 3-D-Drucker. cis

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