Neues Festival Gesucht: Ein Alleskönner-Festival

Saarbrücken · Im Oktober 2020 soll es ein neues saarländisches Festival geben. „Für aktuelle Entwicklungen in der Musik“, kündigte Kulturminister Ulrich Commerçon an. Etat: rund 800 000 Euro. Konzept und Veranstalter werden jetzt gesucht.

 Jung und urban? Auch DJ-Sounds könnten beim neuen Saar-Musikfestival im Oktober 2020 zu hören sein. Von nächster Woche an können sich Macher dafür mit ihren Konzepten bewerben. Geplant wird mit einem Gesamtetat von 800 000 Euro.

Jung und urban? Auch DJ-Sounds könnten beim neuen Saar-Musikfestival im Oktober 2020 zu hören sein. Von nächster Woche an können sich Macher dafür mit ihren Konzepten bewerben. Geplant wird mit einem Gesamtetat von 800 000 Euro.

Foto: picture-alliance/ gms/Gianfranco_La_Garda

Noch hat das Kind keinen Namen. Selbst die potenziellen Eltern, die sich über den Nachwuchs Gedanken machen könnten, haben sich nicht mal gefunden. Allein der stolze Vater steht schon fest: Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD) ist allerbester Hoffnung, dass er im Oktober 2020 einen saarländischen Festival-Wonneproppen aus der Taufe heben wird.

Ja, und was wird’s denn wohl? Na, ein musikalischer Alleskönner, tat der Papa in spe gestern kund. Ein neues Festival für „aktuelle Entwicklungen in der Musik“, kündigte der Minister in der Landepressekonferenz an. Das könne sich von Klassik bis zu hippen Laptop–sounds spreizen. Ein buntes ‚Wie es Euch gefällt’ der Stile und Formen. Dabei Tanz, Bildende Kunst, Film, Mode, Neue Medien auch noch irgendwie mitnehmen. Hauptsache „innovativ und experimentell“, so Commerçon.

Ach ja: Die gesamte Großregion soll – naturellement – auch noch eingebunden werden. Klar, braucht es dafür trendige Spielorte, will meinen von der Industrieruine über das Staatstheater bis zur Saarbrücker Kneipe dürfte so ziemlich alles erlaubt (und erwünscht) sein. Dem Minister schwebt da dezidiert auch „französische Nachkriegsarchitektur“ als Ort des künftigen Geschehens vor. Will wohl heißen: Pingusson-Bau. Zudem soll das Festival den künstlerischen Nachwuchs aus der und in der Region fördern, und das Saarland noch weit über seine Grenzen hinaus bekannt machen. Und all dies noch, wie es sich für ein Bundesland gehört, das nach wie vor im Sparmodus ist, zum eher kleinen Preis: Rund 800 000 Euro werden für das Festival-Budget kalkuliert (wir berichteten). Wobei 600 000 Euro aus Sondermitteln der Staatskanzlei, von Kultur- und Wirtschaftsministerium sowie von Saartoto kommen sollen, dazu noch je 100 000 Euro aus Sponsoren-Mitteln und Eintrittserlösen. Das ist für einen kompletten Festivalneubeginn gewiss nicht überteuert. Mit rund 80 000 Euro aber, die dabei grob für künstlerische Leitung und Konzept kalkuliert sind, wohl doch hinreichend attraktiv, um Bewerber anzulocken.

Dennoch, die Aufzählung all der Erwartungen an das neue Festivalkind muss einen schier atemlos machen. Nicht zuletzt die schwarz-rote Landesregierung und speziell der SPD-Kulturminister haben sie hoch geschraubt. Zur Vorgeschichte zählt schließlich, dass man den über viele Jahre kontinuierlich geförderten Musikfestspielen Saar, lange der Platzhirsch, vor gut drei Jahren erstmal eine Quasi-Null-Diät verordnete. Und dann einen neuen Ballon startete: „Colors of Pop“ im Jahr 2017. Mit dem „Rocco del Schlacko“-Macher Thilo Ziegler als künstlerischem Leiter.

Commerçons Ansinnen schon damals: ein „junges, urbanes“ Festival zu kreieren. Durchaus auch als Gegenentwurf zu den etablierten Klassik-Festspielen von Robert Leonardy. Ziegler lieferte denn auch – Vielfalt wie Experimentierlust. Parallel dazu wollte aber die damalige Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) auch noch ein neues Klassikfestival etablieren, wohl um die E-Musik-Klientel in der Wählerschaft nicht ganz zu vergrätzen. So wurde viel laviert, projektiert und wieder verworfen, aber allein „Colors of Pop“ wurde Realität.

„Und das hat sich auch gelohnt“, bilanziert der Minister nach wie vor. In der Kommunikation aber hakte es spürbar. Extern wie auch intern zwischen Ministerium und Veranstaltungsteam. Und deutlich zu spät lief die Vermittlung nach außen an. „Das ist eine der Lehren, die wir daraus gezogen haben“, sagt Commerçon heute.

Nun soll das alles besser, auch „transparenter“ werden. Dazu zählt, dass eine namhaft besetze Jury (siehe Info) über die neue Leitung wie das neue Konzept befinden wird, auch wenn das letzte Wort der Minister hat. Einmal hat das Gremium bereits getagt. „Sehr harmonisch“, wie es heißt. Nächste Woche startet die Ausschreibung in Deutschland, Frankreich, Belgien und Luxemburg. Bis Ende April läuft die Frist und bis Juni sollen Konzept und Leitung – „gerne auch ein Team oder ein Verbund“ – gefunden sein.

Bewerben kann sich quasi jeder auch mit Ungewöhnlichem. „Ich lasse mich gern von neuen Ideen überraschen“, formuliert Commerçon das Leitmotiv des Ganzen. Bis Oktober 2020 bleibt dann Zeit, das Konzept umzusetzen. Zehn bis zwölf Tage soll das Festival dauern. Und organisatorisch bei der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit angedockt sein, auch für das deutsch-französische Theaterfestival „Perspectives“ schon ein sicheres Dach. Das sichert denn schon mal Professionalität bei der Umsetzung, selbst wenn ein Newcomer den Zuschlag bekommen sollte.

So ist das Wagnis des Neuen wohl kalkulierbarer, auch wenn Commerçon immer gern betont: „Kunst darf auch mal scheitern.“ Trotzdem will er auch möglichst große Resonanz – sie steht sozusagen sogar im Pflichtenheft – bei gleichzeitiger Absage ans allzu Populäre. „Es geht sicher nicht um große Namen, die ohnehin auf Tour sind und dann noch Staatsknete abgreifen“: Da wird der Minister glatt nochmal zum Sponti, wenn er dies sagt.

Bei Erfolg soll dann die neue Festivalspitze auch im Zweijahresturnus weitermachen können. Das neue Festival soll also keine Eintagsfliege werden, sondern eine Marke werden, hofft der Minister. Obwohl es ein Landesfestival sein wird, liegt das Zentrum klar in Saarbrücken. Für Commerçon folgerichtig. Die Erfahrungen aus dem „Ophüls“-Filmfestival und von „Perspectives“ zeigten den Vorteil der Konzentration, sowohl örtlich wie zeitlich. Und eine solche Veranstaltung brauche auch ein gewisse Infrastruktur, wozu auch ein Festivalclub gehöre. Da klingt durch, dass man sich bei der Neukonzeption an den im Land erfolgreichen Festivals wie eben „Ophüls“ und „Perspectives“ orientiert.

Das sich das Land nun an ein neues Festival wagt, bedeute aber nicht, betont der Minister noch, dass man sonst nichts mehr fördern könne oder wolle. Aber mit 600 000 Euro aus Landes- und Saartoto-Mitteln alle zwei Jahre legt man sich angesichts des knappen Landeshaushalts weitgehend fest.

 Kulturminister Ulrich Commerçon

Kulturminister Ulrich Commerçon

Foto: SPD-Landtagsfraktion/Tom Gundelwein/Tom Gundelwein

Gerne könnten sich auch bewährte Kulturmacher aus dem Land bewerben, sagt Commerçon. Bei denen dürfte die Resonanz aber wohl bescheiden sein, nachdem ein Thilo Ziegler, der aus dem Stand über 20 000 Besucher lieferte, aber auch Leonardy senior mit Commerçon nicht zu Rande kamen. Die Musikfestpiele Saar jedenfalls geben sich unter neuer Regie mit ihrem „New Generation“-Festival (Start: 24. April) jetzt  gerade selbst extrem jung und innovativ. Klingt ein bisschen so, als wenn zwei in einem kleinen Land ganz Ähnliches versuchen.

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