Saarländisches Staatstheater Rätsel, Drama, Muskelzucken

Saarbrücken · Saarbrücker Tänzer als Choreografen: Die Premiere des Ballettabends „SubsTanz 17“ in der Alten Feuerwache.

 Ballett-Premiere im Saarbrücker Staatstheater.

Ballett-Premiere im Saarbrücker Staatstheater.

Foto: Becker & Bredel

Mit großem Applaus hat das Publikum am Samstag in der Alten Feuerwache die letzte Premiere vor den Theaterferien gefeiert. Zu Recht. Denn die 17. Ausgabe von SubsTanz war eine runde Sache. Die sieben Tänzer und eine Tänzerin, die sich diesmal als Choreografen hervorwagten, stellten – in Eigenregie – ein beeindruckend vielfältiges Programm auf die Beine. Es reichte von ruhigen Stücken bis hin zum hochdramatischen Tanztheater, vom Solo-Auftritt bis zur Show-Tanztruppe.

Nur ein Mensch hatte an diesem Abend Grund, traurig zu sei: Tänzerin Hope Dougherty, die in vier Stücken mitwirken sollte, sich aber bei der Generalprobe den Fuß gebrochen hatte. Dass die jeweiligen Choreografen ihren Part strichen oder auch selbst übernahmen, war für den Zuschauer kaum zu merken, verlieh aber manchen Paaren eine besondere Note. So tanzten in Marioenrico D‘Angelos „Blue Screen“, dessen Szenerie zunächst Bauschs „Café Müller“ ähnelte, nun zwei Männer verliebt miteinander. Dass sich das Stück nicht um sie, sondern um jenen Mann drehte, der vor lauter Einsamkeit immer wieder die Blumenvase auf seinem Tisch umwarf, erschloss sich erst später. Wie mit einer PC-Reset-Taste beamte er sich in andere Situationen und saß schließlich wild tippend glücklich unter ausgelassenen Hippies.

Auch Miguel Toros „Demo“ lässt lange rätseln. Während fünf Megaphone ungenutzt in der Luft hängen, bauen sechs Tänzer zu schwermütigen Gorecki-Klängen am Boden meditativ Schachteln zusammen. Erst zum Schluss trägt einer die sinnstiftende Botschaft vor. Dean Bioscas Dreiertanz „The Sense of an Ending“ war schon vorbei, als man dachte, dass die Geschichte erst begänne. Eine interessante Idee zu haben ist das eine, sie erzählerisch umzusetzen das andere.

Manche hatten sich da zum Glück weniger vorgenommen. Allein aus der Klavier-Musik „Fraxinus“ etwa ließ sich Saúl Vega-Mendoza leiten, um seine sechs Tänzer nach den Natur-Prinzipien Chaos und Harmonie zu arrangieren. „Asch“ bot Etüden mit wunderschön organischen, atmenden Bewegungen. Bei Edoardo Cino wiederum waren es die Requisiten, zwei rotierende Ventilatoren, aus denen sich das tänzerische Zwiegespräch seines Paars in „Leib Warm – Kalt“ ergab.

Für einen alten Hasen wie Francesco Vecchione ist das Erzählen kein Problem. Nicht zum ersten Mal entwickelt er aus einer Abendgesellschaft an langer Tafel gekonnt ein spannungsgeladenes Psychodrama. Diesmal geht es um einen Mann, der sich vor Eifersucht verzehrt, weil die Geliebte noch einen anderen hat, weshalb der arme Wicht sie als brüllendes Raubtier imaginiert. Ein großer Spaß in symbolträchtig plakativen Bildern.

Zu den erfahreneren Choreografen gehört auch Liliana Barros, die nach ihrer erfolgreichen Großgruppen-Choreografie „My name ist Legion“ hier nun ein Solo bietet. „Nervure“ ist eine Wucht. Eine ebenso schauspielerische wie tänzerische Glanzleistung. Auf roten Highheels, in Silberleggings und mit ziemlich freiem Oberkörper gibt sie das Nervenbündel, einen Tangojunkie, der zum Rhythmus Electro-Tango abwechselnd zittert, vibriert, wild um sich schlägt und nach „Mehr“ giert. Fast nur auf der Stelle stehend macht die Barros in dieser minimalistischen Choreografie jedes Muskelzucken, jeden Gesichtsausdruck zum Erlebnis. Halb Clown, halb tragische Figur, braucht sie keinerlei Dekor, um wie das Zentralgestirn eines Kosmos zu erscheinen.

Mit „Gag: A Vogue Extravaganza“ fühlt man sich in die schrille Subkultur von New York versetzt. Randolph Ward entführt uns in die Voguing-Tanzszene. Neun Männer mit viel Glitzer unter Pickelhauben bieten eine sportive Tanzshow, bei der sie sich auf ihren Highheel-Boots gern in den Spagat fallen lassen. Mittendrin ein üppige Drag-Queen (Gast C.C. Glitzer) mit Rapunzel-Zopf. Herrlich, wie unbekümmert  man sich hier unter dem Motto „Sei Du selbst“ aus den Insignien-Fundus beider Geschlechtsrollen bedient. Ein Knaller zum Kehraus also. Und zum Abschied: So wie Barros und Vecchione verlässt auch Ward Ende der Saison Saarbrücken.

Weitere Termine: Morgen, 29 Juni und 2. Juli, 19.30 Uhr , Alte Feuerwache.

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