Überzwerg-Premiere Patrick oder: Hinterfragt mal Normalität

Saarbrücken · Saarbrückens Überzwergen gelingt mit der Premiere von Kristo Šagors „Patricks Trick“ ein dichtes Stück über Behinderung und Inklusion.

 Äußerst wandlungsfähig: Nicolas Bertholet und Reinhold Rolser (rechts) in „Patricks Trick“.

Äußerst wandlungsfähig: Nicolas Bertholet und Reinhold Rolser (rechts) in „Patricks Trick“.

Foto: Kerstin Krämer/Theater Überzwerg/Kerstin Kraemer +49/(0)177-196

„Donaudampfschifffahrtsgesellschaftkaptänswitwenstift“: Auch der aus Kroatien nach Deutschland gekommene Danijel hat Probleme die deutsche Sprache zu erlernen. Geholfen haben ihm unter anderem die „langen Wörter“. Doch auch damit kann er Patrick nur teilweise weiterhelfen: Der elfjährige Patrick – gespielt vom erwachsenen Nicolas Bertholet – belauschte ein Gespräch seiner Eltern über seinen noch ungeborenen kleinen Bruder und dass dieser „vielleicht niemals sprechen können“ wird. So macht sich denn Patrick auf, eine Lösung für das Problem zu finden.

Die Handlung von Kristo Šagors „Patricks Trick“, die sich in der Folge dieses, sie anstoßenden Moments auf der Probenbühne des Saarbrücker Kinder- und Jugendtheaters Überzwerg am frühen Samstagabend entrollte, sorgte für eine ebenso gelungene wie spannende Theaterpremiere. Das Stück greift einerseits die schweren Themen Behinderung und Inklusion sowie die damit einhergehenden Sorgen und Ängste auf; kann jedoch andererseits mit Witz und Humor überzeugen. Auch, weil Patricks noch ungeborener kleiner Bruder, gespielt von Reinhold Rolser, diesen begleitet.

Mit einer enormen Spielfreude führen Bertholet und Rolser, die alle zwölf Rollen des Stücks unter sich aufteilen, durch „Patricks Trick“.  Mit teilweise schweißtreibendem, körperlichem Einsatz spielen die zwei Überzwerge die verschiedenen, zum Teil skurrilen Figuren, die Hauptfigur Patrick auf seiner Sinnsuche nach Hilfe fragt. Passagen, die sich Kindern nicht ohne Weiteres erschließen – das Stück ist empfohlen ab zehn Jahren – , werden von Bertholet erklärt: Mit ausdruckstarkem Minenspiel spricht er zum Publikum hin, schaut Einzelne direkt an und schafft es so, dass die Zuschauer ins Stück hineingezogen werden. Vor allem Rolser, der den Großteil der Figuren spielt – Patricks Mutter, seinen Freund Valentin, den Professor, die autistische Gemüsefrau oder Deutschlehrerin Schlepper – springt zum Teil in begeisternd schnellem Wechsel zwischen den verschiedenen Rollen hin und her, ohne sein Aussehen dabei im Geringsten zu verändern. Ein Genuss, wie er es schafft, mit kleinen, immer wiederkehrenden Zeichen, klar zu machen, welche Figur da gerade spricht.

Dahinter steckt eine schlüssige Inszenierungsidee von Regisseurin Lejla Divanovic: Mit einer Sofortbildkamera fotografiert Patrick die von ihm aufgesuchten Figuren. Natürlich ist das stets Rolser. Die dann an einer Leine aufgehängten Bilder entwickeln sich während der Vorstellung, sodass daraus eine nachvollziehbare Chronologie von Patricks Suche entsteht. In Divanovic’ behutsamer Saarbrücker Version werden in dem preisgekrönten Stück wichtige Fragen gestellt: „Was ist behindert?“, „Ist behindert das Gegenteil von normal?“ oder „Was ist normal, was unnormal?“.

Am Ende (so viel darf verraten werden) findet Patrick für sich – und vielleicht auch für seinen Bruder – eine Lösung; und hat dem ein oder anderen Zuschauer gewiss eine neue Perspektive auf das Thema Behinderung eröffnet – wofür auch der lange anhaltende Applaus für die beiden Schauspieler und die Regisseurin spricht.

Nächste Vorstellungen heute (9.30 Uhr), Dienstag und Mittwoch (11.30 Uhr), Donnerstag (9.30 Uhr). Karten unter (0681) 95 82 83 0.

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