Papier ist mein Revier: Urban Art in der Galerie Neuheisel

Saarbrücken · Die Zeiten, in denen Graffiti- und Street-Art-Künstler nur auf Hauswänden malten, sind längst vorbei. Inzwischen haben viele von ihnen die Galerien und Museen erobert. Sie arbeiten mit Öl und Acryl, Tusche und Kreide, nutzen Leinwände, Holzplatten und gerne auch Papier. Denn gerade Bütten- und Aquarellpapiere bieten den Vorteil einer ähnlich rauen Oberfläche wie Mauern.

Die Saarbrücker Galerie Neuheisel zeigt die sehenswerte Ausstellung "Paperworks", für die sieben Urban-Art-Künstler auf Papier gearbeitet haben. Eines der großen Talente des Saarlandes ist HBK-Designstudent Alex Fielitz (Künstlername "Laune"). Seine drei Arbeiten sind surreal anmutende Alltagssituationen, die so wirken, als habe der Künstler mit einer kühlen Ästhetik im Stile Neo Rauchs begonnen und dann in einem emotionalen Ausbruch sein Werk verschleiert. Was passiert da wirklich in den Bildern - was sieht man und was entgeht dem Auge? Immer wieder bricht er die Farbflächen mit einem Stakkato aus kurzen Strichen auf und bringt Dynamik ins Spiel, versteckt Hände oder Gesichter, lässt die Szenen im Ungefähren versinken. Die Linien enden im Nichts.

Mit dabei ist auch HBK-Absolvent Daniel Hahn, den viele als "Raks" kennen. Dessen Arbeiten überraschen, weil sie ganz anders sind als die Kompositionen aus architektonischen Elementen und Buchstaben, die er sonst schafft. Von diesen sind auf den Papierarbeiten nur Fragmente erhalten. Er ergänzt diese um ausgedruckte Screenshots von Bildern, die am Computer unvollständig geladen wurden und so nicht viel mehr als Zeilenraster aus farbigen Blöcken sind. Was die Grafiken eigentlich zeigen sollten, bleibt ein Geheimnis. Hahn war so fasziniert von den abstrakten Bildern, dass er sie vergrößerte und ins Werk integrierte.

Es folgen zwei kleinformatige Arbeiten des Spaniers Aryz, der gerade für den Saarbrücker Artwalk eine Wand im Nauwieser Viertel gestaltet und als kommender Star gilt. Die Papierarbeiten zeigen expressive Farbspiele mit den Figuren einer Frau und eines Greises.

Überraschend sind auch die beiden Graphitarbeiten von Alex Hoffmann ("Retro23"). Konnten die Werke in der Einzelausstellung im vergangenen Jahr nicht wirklich überzeugen, weil arg plakativ und dekorativ, sind die aktuellen Arbeiten deutlich spannender. Hier gestaltet er mit expressivem Gestus surrealistische Landschaften zwischen Figuration und Abstraktion. Erstaunlich sind auch die Arbeiten von Adrian Falkner ("Smash137"). Der hat sich vom gestischen Impetus und den Acrylfarben verabschiedet und sprüht plötzlich wieder. Die zu Farbflächen verdichteten Gitter erinnern an Konkrete Kunst, in der die Wirkung der Farbe in den Mittelpunkt gerät und nur durch den Farbauftrag und das Zusammenspiel räumliche Tiefe entsteht.

Außerdem zeigt die Galerie aktuelle Arbeiten von Sowat und Lek. Die beiden Franzosen gestalten gerade gemeinsam eine Wand in der Bahnhofstraße. Sie sind mit jeweils zwei Einzelarbeiten vertreten und haben einen Diptychon gestaltet. Sowat arbeitet mit Gitterstrukturen, er klebt sie ab, tröpfelt und spritzt dann Tuschefarben, entfernt die Klebstreifen wieder und setzt eine letzte Farb-Ebene darüber. Lek hingegen nutzt die Klebstreifen als Positiv und klebt aus den Tapes und Aluminiumfolie seine abstrakten Werke. Die beiden gemeinsamen Arbeiten verschmelzen beide Welten und sind auch die eindrucksvollsten: Hier hat Sowat die Farben in ausladenden Gesten großflächig auf das Papier gebracht und Lek Tapes darüber geklebt. Den Abschluss bildet ein bruchstückhaftes Geflecht aus Linien, das an Brücken oder Fördertürme erinnert.

Bis 17. Juni, Galerie Neuheisel (Sb).

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