Kulturhauptstädte Neun Städte in den Startlöchern

Hildesheim · Die europäische Kulturhauptstadt 2025 wird eine deutsche sein. Gleich neun Städte haben sich beworben. Eine europäische Jury wird 2019 einige Bewerber aussortieren. Gekürt wird die Siegerstadt 2020 von der Kultusministerkonferenz. Womit aber werben die Aspiranten überhaupt?

Berlin war es 1988, Weimar 1999, Essen zusammen mit dem Ruhrgebiet 2010: europäische Kulturhauptstadt. 2025 wird eine deutsche Stadt wieder diesen Titel tragen. Mit Koblenz, Mannheim, Chemnitz, Dresden, Magdeburg, Hannover, Hildesheim, Kassel und Nürnberg gibt es neun Bewerber mit sehr unterschiedlichen Ideen – das wurde auf einer Tagung in Hildesheim deutlich.

In Kassel hatte man sich schon für den Titel 2010 beworben. „Auch wenn das nicht geklappt hat, waren wir erfolgreich. Das Land Hessen hat uns damals 200 Millionen Euro im Rahmen der Bewerbung für die Museumslandschaft gegeben, das Selbstbewusstsein der Bürger hat sich deutlich erhöht. Die jetzige Bewerbung nutzen wir, um öffentlich zu diskutieren, wie es mit der Stadt weitergehen soll“, sagt Annekatrin Hanf vom Kulturamt Kassel.

Nürnberg nennt drei zentrale Themen: Die Zukunft der Arbeit angesichts der Schließung großer Industriebetriebe, das Zusammenleben angesichts eines Migrationsanteils von 43 Prozent und die Erinnerungskultur am Ort des Reichsparteitagsgeländes und der Nürnberger Prozesse, wenn es keine Zeitzeugen mehr gibt. „Die Resonanz in der Bevölkerung zur Bewerbung ist sehr positiv“, findet Niko Degenkolb vom Nürnberger Bewerbungsbüro. In Hannover hat das Kulturhauptstadtbüro kürzlich in einem problembeladenen Hochhauskomplex seine Arbeit aufgenommen. Der Standort soll ein Zeichen dafür sein, dass man mit der Bewerbung die Stadtteilkultur gerade in schwierigen Bezirken ausbauen will.  „Wir wollen mit der Bewerbung auch die Arbeitsbedingungen von Künstlern thematisieren, die häufig unter prekären Bedingungen arbeiten“, betont Büroleiterin Melanie Botzki.

Magdeburg hat mit 2,8 Millionen Euro den höchsten Etat für die Bewerbung. „Es gibt von unserer Stadt entweder ein negatives oder gar kein Bild. Das wollen wir ändern“, sagt der Leiter des Kulturhauptstadtbüros Tamás Szalay. Magdeburg will als Stadt des Bauhauses, der Reformpädagogik und des Rechts auf sich aufmerksam machen – in mehr als 1000 Städten war einst das Magdeburger Recht gültig. Daran anknüpfend will man Themen wie die Menschenrechte und das Verhältnis von Bürger und Staat in Magdeburg diskutieren. „Chemnitz entwickelt sich wirtschaftlich sehr gut. Davon sollen auch Bildung und Kultur profitieren. Eine neue Infrastruktur und neue Ziele sind wichtig“, sagt Ferenc Csàk, Leiter des Chemnitzer Projektes. Das bedeutet für ihn: „Mindestens die Hälfte der Ziele, die wir uns setzen, müssen realisiert werden, egal ob wir Kulturhauptstadt werden oder nicht.“ 1,2 Millionen Euro gibt die Stadt für ein Konzept aus, mit dem sie sich mit ihrer Geschichte vom „sächsischen Manchester“ bis zur „Stadt der Moderne“ profilieren will.

Dresden zeigt sich selbstbewusst – neue kulturelle Leuchttürme brauche man nicht. „Wir wollen mit der Bewerbung mit den Bürgern darüber sprechen, wie wir miteinander umgehen. Damit haben wir Schwierigkeiten“, sagt Stephan Hoffmann vom Amt für Kultur und Denkmalschutz. Er bezieht sich auf die Proteste gegen das Antikriegs-Monument vor der Frauenkirche – ein syrischer Künstler hatte mit drei senkrecht aufgestellten Bussen an Menschen in Aleppo erinnert, die dort hinter Bussen Schutz vor Beschuss suchten.

Die Bewerber im Südwesten äußern sich bislang noch nicht sehr konkret. In Koblenz setzt man auf die positive Stimmung der Bevölkerung, die durch die Bundesgartenschau im Jahre 2011 die Chancen entdeckt hat, die Kultur bietet. „Es sind von damals  noch viele Gruppen und Vereine aktiv. An deren Engagement zur Buga wollen wir anknüpfen“, sagt Johannes Bruchhof von der Koblenz-Touristik. In Mannheim liegt ein Schwerpunkt auf dem Thema Musik, mit dem u.a. die Pop-Akademie und die Musikhochschule in den Mittelpunkt gerückt werden sollen.

Oliver Scheytt war einst Leiter der europäischen Kulturhauptstadt Essen 2010. Seitdem sind die Anforderungen der EU an eine Kulturhauptstadt gestiegen. „Es geht nicht nur um Kultur, sondern um den Umgang mit aktuellen Problemen. Dabei ist die Partizipation der Bürger an der Bewerbung ebenso wichtig wie die Langzeitwirkung. Das fehlt häufig“, sagt Scheytt heute. Umgang mit aktuellen Problemen – da kann Hildesheim ein Lied von singen. Der Kulturcampus der Uni, wo die Tagung stattfand, kann nach den Schäden durch das Hochwasser von Ende Juli in diesem Jahr nicht mehr genutzt werden. Zum Glück wurden die Welterbestätten Dom und Michaeliskirche, mit denen man bei der Bewerbung punkten will, nicht beschädigt.

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