Deutsche Radiophilharmonie spielt auf dem Halberg Musizieren ohne den Maestro

Saarbrücken · Die Radiophilharmonie startet morgen eine Konzertreihe ohne Dirigenten. Konzertmeister Ermir Abeshi führt seine Kollegen.

 Konzertmeister und Violinist Ermir Abeshi bei der Arbeit mit der Deutschen Radiophilharmonie.

Konzertmeister und Violinist Ermir Abeshi bei der Arbeit mit der Deutschen Radiophilharmonie.

Foto: Astrid Karger/SR/Astrid Karger

„Nein, das wird nicht das Ende der Dirigenten sein!“ Der Geiger lacht. „Bloß ein anderes Format.“ Ermir Abeshi ist seit 2017 neuer Konzertmeister der Deutschen Radio Philharmonie (DRP) und eröffnet am kommenden Freitag eine neue Reihe. „DRP-PUR“ heißt das Projekt, das auf dem Saarbrücker Halberg schon in der Schublade lag und nun an den Start geht. Erstmals wird sich das Orchester ohne Dirigent präsentieren. Mit Abeshi hat man den passenden Musiker gefunden, der nun mit knapp 30 Orchestermitgliedern zeigen wird, wie man ohne Maestro musiziert.

Auch andernorts wird hie und da der Dirigent gestrichen. Warum? „Für die Musiker ist es eine völlig neue Erfahrung, wenn da vorne keiner steht und vorgibt, wie Du zu spielen hast. Das setzt ungemein viel Energie frei. Jeder übernimmt Verantwortung.“ Der neue Konzertmeister ist begeistert. Das sei natürlich nicht mit allen Stücken möglich, gar undenkbar etwa bei Bruckner oder Mahler, Doch das „Adagio für Streicher“ von Samuel Barber oder die 2. Sinfonie für Streichorchester und Trompete von Arthur Honegger lassen das Experiment zu – dafür hat Abeshi gesorgt.

In seiner neuen Position fühlt sich der 1987 in Albanien geborene Violinist mehr als wohl. Mit sechs Jahren begann er Geige zu spielen, mit zehn zog er – ohne Eltern – nach Italien, wo er 2005 sein Studium bei Bruno Pignata und Walter Stauffer in Cremona abschloss. „In Albanien standen die Voraussetzungen schlecht, professionellen Unterricht zu bekommen“, erzählt Abeshi, der in Italien bei „Ersatzeltern“ seine zweite Heimat fand und stolz ein aktuelles Foto zeigt, mit Bergen im Hintergrund. 2006 wechselte er nach Boston und absolvierte dort sein Master- und Graduate-Diplom am New England Conservatory. Er nahm an Wettbewerben teil und machte 2012 als Finalist des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs in Brüssel, einem der weltweit bedeutendsten Musikwettbewerbe, auf sich aufmerksam. Der junge Violinist erhielt Engagements und tourte als Solist von Ort zu Ort, spielte in New York, Boston, Dänemark, Prag und weiteren Metropolen mit weltweit renommierten Orchestern und Dirigenten. Ein Unfall im Jahr 2014 setzte eine Zäsur. Seine Hand war so verletzt, dass er sechs Monate nicht spielen konnte. „Das war natürlich ein Schock für mich. Aber dieser Einschnitt hat mich wachgerüttelt.“ Plötzlich merkte er, dass das ewige Reisen zunehmend zur Belastung wird. „Ich bin umhergezogen, seit ich Kind war. Nun fragte ich mich, was wirklich wichtig ist. Wenn man derart aus seinem Trott rausgerissen wird, beginnt man, die Prioritäten neu zu ordnen.“ Sein Unfall hat ihn daher nicht zurückgeworfen, sondern weiter gebracht. „Danach spielte ich sogar besser.“ Außerdem: Mit einer Basis wie der Stelle eines Konzertmeisters in einer Stadt, die nicht zu groß oder klein ist, kann man auch mal über das Thema Familie nachdenken...

Konzert morgen, 20 Uhr, im Großen SR-Sendesaal. Mit Konzertmeister Ermir Abeshi (Violine). Benjamin Rivinius (Viola) und Robert Hofmann (Trompete) übernehmen die Soloparts.
Karten (16/18 Euro) gibt es im SR-Shop und bei allen bekannten Vorverkaufsstellen sowie über die Hotline Tel. (02 31) 917 22 90.

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