Saarbrücker Lichtinstallationsprojekt „Revolver“ Museumsfassade in ganz neuem Licht

Saarbrücken · Die visuell-musikalische Inszenierung „Revolver“ an der Modernen Galerie, ein Gemeinschaftsprojekt von Kunst- und Musikhochschule, begeisterte am Wochenende hunderte Zuschauer.

 17 Videoprojektionen (hier die von Isabelle Kirsch), jede mit einem Klangstück unterlegt, bot „Revolver“.

17 Videoprojektionen (hier die von Isabelle Kirsch), jede mit einem Klangstück unterlegt, bot „Revolver“.

Foto: Oliver Dietze

Seit November ist die Moderne Galerie nach langer Bauzeit wieder geöffnet. Dass das Schönecker-Ensemble mit dem neuen Pavillon zur Kulisse für die nun unter dem Titel „Revolver“ fortgesetzten „Rotationen“ werden würde, hätte man eigentlich ahnen können. Zweimal schon waren die „Rotationen“ am Saarbücker Schloss zu erleben. Im Herbst 2017 folgte dann ein Projekt im Pingusson-Bau. Nun also inszenierten Studierende und Lehrende der Saarkunsthochschule (HBK) und Musiker der Musikhochschule (HfM) einen weiteren architektonisch reizvollen Ort – und hauchten dem Platz zwischen Museum und Musikhochschule Leben und Licht ein. Beteiligt waren auch Studierende des Kulturmanagements an der HTW Saarbrücken.

Die Jazz-Band spielt auf einer Bühne vor der HfM. Die Blicke des Publikums, das die Musik über Leih-Kopfhörer eingespielt bekommt, richten sich aber auf die Fassaden der drei Schönecker-Pavillons und des Neubaus. Nur wer die Kopfhörer trägt, erlebt die Lichtinstallationen als Gesamtkunstwerk aus Klang- und Videokunst. Zu jedem der 17 Beiträge, die auf die Fassaden projiziert werden, haben HfM-Musiker ein eigenes Stück komponiert. Sie klingen mal poppig, mal meditativ, oft jazzig. Sie greifen die Rhythmik der Licht-Bilder auf, verstärken die Eindrücke. Ein sinnlicher Genuss. Viele Lichtkünstler lassen bunte Linien und Streifen rhythmisiert übers Museum laufen – die geometrischen Formen und Fensterbänder der vier Kuben aufgreifend. Andere setzen den strengen architektonischen Formen verspielte, amorphe Gebilde entgegen. Zur Musik entstehen im Kopf fantastische Räume. Und doch wird es noch interessanter, wenn die Videokünstler Geschichten erzählen. In „Utopie“ projiziert Tobias Jungbluth futuristische Architektur à la Corbusier auf die Fassade (Musik: Leo Kwandt). Die schwarz-weißen Bilder lösen sich auf, scheinen wie verpixelt, wirken schließlich wie ein großes Blätterrauschen und dann wieder, als bewege sich ein Bienenschwarm über die Wände. In der Schluss-Projektion meint man die markanten Fenster des Pingusson-Baus zu erkennen. Reverenz an das vor sich hinrottende Denkmal?

Ganz wunderbar ist auch die Arbeit „Alberts Fragmente“ (Florian Penner) zur meditativ-melancholischen Musik von Stephan Goldbach. Unter geometrischen Dreiecksformen liegt eine Geschichte verborgen, die eng mit dem Saarlandmuseum verwoben ist: die des St. Ingberter Malers Albert Weisgerber, der kurz als riesiges Selbstportrait auf der Fassade erscheint. Hier und da blitzen Fragmente seiner impressionistischen Gemälde wie hinter einem zur Seite gelupften Vorhang hell hervor. Die kurzen Blicke in die Vergangenheit sind schemenhaft, angedeutet und gerade deshalb so reizvoll. Originell auch „Interview“ von Hartung und Trenz. Sie greifen die Beschriftung der von Michael Riedel gestalteten Neubau-Fassade auf und arbeiten ebenfalls mit Schrift. Da laufen An- und Abführungen, Ausrufe- und (vor allem) Fragezeichen wild über das Gebäude – dazu lassen die Komponisten Lukas Reidenbach und Daniel Weber Instrumente „sprechen“. Der dumpfe Bass führt ein Interview mit der jammernden Gitarre. Drums quatschen dazwischen. Super.

Mal mehr, mal weniger einfallsreich sind die Projektionen, aber alle sind sehenswert und unterhaltsam. Felix Waldkirch benutzt die Fassade in „Relais 4: 0“ wie ein Zeichenbrett, spielt mit Formen, Farben und Projektionsmöglichkeiten. Isabelle Kirsch zeigt Humor und lässt in „Make Plants Grow“ Hirschkäfer mit Menschenarmen und -beinen über die Fassade krabbeln. Dazu die originellen Kompositionen, die jeder Arbeit eine eigene Note verleihen.

 Fassade auf Fassade: Momentaufnahme aus Tobias Jungbluths Arbeit „Utopie“.

Fassade auf Fassade: Momentaufnahme aus Tobias Jungbluths Arbeit „Utopie“.

Foto: Oliver Dietze

Man darf gespannt sein, wohin man uns 2019 entführt, welcher Platz, welches Gebäude als nächstes kreativ bearbeitet wird. Gerne auch nochmal das Saarlandmuseum. Das würde dem neuen Ort gut tun, der sein Flair, sein Potenzial als kommunikativer Treffpunkt erst noch entwickeln muss.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort